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■ QuerspalteDer Domina-Blick der Sekretärin

Wenn in den USA mehr Leute bei Bewerbungsgesprächen vorturnen als hierzulande, dann liegt das an der Fotografie. Genauer gesagt, an den Bewerbungsfotos, die in den USA nicht üblich sind. Dort nämlich müssen Jobsuchende, die sich bei einem Unternehmen bewerben, kein Porträtfoto oben rechts auf den Lebenslauf pappen. Was etwas mit der Diskriminierungsempfindlichkeit der Amerikaner zu tun hat: Auch Dicke und Schwerstpickelige sollen ihre Chance bekommen, erst im Bewerbungsgespräch abzuschmieren. Hierzulande fängt die Konkurrenz früher an.

„Alles muß verkauft werden“, erklärte der Innungsmeister der deutschen Berufsfotografen, Tom Pochert, gestern vor der Presse. Und gerade deswegen müsse der deutsche Arbeitssuchende danach trachten, sich mit einem „individuell gestalteten Bewerbungsfoto“ ins rechte Licht zu rücken. Die Bewerbungsfotos hierzulande kämen nämlich viel zu oft aus dem Automaten. „Auf einem Profi-Foto muß der Bewerber so rüberkommen, als hätte er den Job schon.“ Genau. Da öffnet sich Raum für berufsfotografische Entfaltung.

Man denke dabei an den 45jährigen Facharbeiter, der sich bei Opel Eisenach mit einem inszenierten Foto präsentiert: Kinn vorgestreckt, die Hände an der CAM-Maschine, konzentrierter Blick ins Nichts. Unser Mann! Oder die 43jährige Sekretärin, die im selbstentworfenen schwarzen Leder-Outfit dem Betrachter streng in die Seele schaut (die meisten Chefs sind praktizierende Masochisten). Oder wie wäre es mit einem Leporello, das den künftigen Junior-Berater im Alltags-Zweireiher und im Abendanzug zeigt, dazu auf der Vorderseite in Großaufnahme ein Foto der handgefertigten Budapester-Schuhe? Und warum nicht – etwa bei handwerklichen Jobs – noch genaue Maßangaben der Oberarm- und Männerbrustweite unter den Fotos? Aber Sie haben recht: Wir sollen nicht übertreiben. Sonst wird diese Berufsfotografie verboten. Wie in den USA. Wär' doch schade drum. Barbara Dribbusch

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