Moskau lehnt Militäreinsatz gegen Milošević weiter ab

■ Balkan-Kontaktgruppe einigt sich auf Forderungspaket, nicht aber auf Strafmaßnahmen. USA halten Eingreifen ohne UN-Mandat für möglich, Kinkel nicht. UN-Beauftragte Rehn fordert im taz-Interview „Stärke, die militärische Mittel einschließt“

Brüssel/London/Priština (rtr/dpa/taz) In der Frage eines militärischen Eingreifens der Nato im Kosovo mahnt Moskau zur Zurückhaltung: Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister mit ihrem russischen Kollegen Igor Sergejew forderte dieser, diplomatischen Vermittlungsversuchen Vorrang vor einem militärischen Eingreifen im Kosovo einzuräumen. Er wies dabei auf die am Montag und Dienstag anstehenden Gespräche von Jugoslawiens Präsident Slobodan Milošević mit Boris Jelzin in Moskau hin. Um den Druck auf Milošević vor diesem Treffen zu erhöhen, hat die Nato für Sonntag Luftmanöver über den Nachbarstaaten des Kosovo angesetzt. Dabei werden auch vier in Italien stationierte Tornados der Bundeswehr eingesetzt.

Im westlichen Verteidigungsbündnis selbst gehen die Meinungen über eine Militärintervention in der südserbischen Krisenprovinz ohne die vorherige Zustimmung des UN-Sicherheitsrates auseinander. US-Verteidigungsminister William Cohen sagte gestern in Brüssel, ein UN- Mandat wäre „wünschenswert, aber nicht obligatorisch“. Dagegen schloß Bundesaußenminister Klaus Kinkel ein direktes Eingreifen der Nato ohne UN-Mandat aus. Moskau würde dem nicht zustimmen. „Wir müssen aber sehen, daß wir Moskau im Boot behalten“, sagte Kinkel. Ähnlich äußerte sich auch die Menschenrechtsbeauftragte und Vertreterin des UN-Generalsekretärs in Ex-Jugoslawien, Elisabeth Rehn. Militärische Maßnahmen müßten vom Weltsicherheitsrat gedeckt sein. „Ich glaube nicht, daß die Nato unabhängig vom Sicherheitsrat agieren wird“, sagte Rehn der taz.

Die Balkan-Kontaktgruppe mit den Vertretern aus Rußland, Deutschland, den USA, Frankreich und Großbritannien einigte sich gestern in London auf ein Forderungspaket, um den Druck auf den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević zu erhöhen. Sie fordert nach Angaben von Diplomaten Milošević ultimativ auf, bis Montag die serbischen Sicherheitskräfte aus dem Kosovo zurückzuziehen. Außerdem müsse er internationale Beobachter und regierungsunabhängige Organisationen sowie die Rückkehr der etwa 15.000 Flüchtlinge zulassen. Ansonsten würden Sanktionen verhängt.

Slobodan Milošević hat seinen Streitkräften inzwischen laut Presseberichten befohlen, die Grenze zu Albanien zu verminen, um die Rückkehr der geflüchteten Kosovo-Albaner in ihre Heimat zu verhindern. Nach Angaben westlicher Diplomaten hat die Befreiungsarmee des Kosovo (UCK), die gestern einen Sprecher ernannte und damit offiziell ihre Existenz verkündete, bereits begonnen, Kriegsmaterial über die makedonische Grenze in die Provinz einzuführen. Das serbische Informationszentrum berichtete, albanische Kämpfer hätten am Donnerstag bei Priština zwei serbische Polizisten getötet. Interview Seite 10, Kommentar Seite 12