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: Abseits der Norm

„McCallum – Tote schweigen nicht“, Samstag, 20.15 Uhr, Vox

Drehbuchgemäß hielt John Hannah in der Erfolgskomödie „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ am Sarg eines Freundes eine ergreifende Abschiedsrede. Mit Todesfällen hatte der schottische Schauspieler auch fürderhin zu schaffen – seit 1997 spielt er in der britischen Kriminalserie „McCallum“ einen Leichenbeschauer.

Der Titelheld zählt zu den Besten seiner Zunft, ausgezeichnet durch eine gute Beobachtungsgabe, Scharfsinn und eine gehörige Portion Skepsis. Und er bleibt, trotz völliger Überarbeitung, hartnäckig, selbst wenn die ermittelnden Beamten ihren Aktendeckel bereits geschlossen haben.

Privat ist er kein unbedingt leidlicher Mensch, umgänglich zwar, aber seine Passionen und Anfechtungen schmoren im verborgenen. „Warum bist du nur immer so verdammt schottisch?“ uzt ihn seine Freundin einmal, eine harmlos erscheinende Stichelei, an die der Zuschauer später noch zurückdenken wird.

Gleich im Pilotfilm geriet McCallum schwer in die Bredouille, nämlich als Folge eines ungeplanten Fremdgangs selbst unter Mordverdacht. Unnachsichtig gingen der vierschrötige Inspector Bracken und dessen Ermittler gegen McCallum vor. Der hatte nichts verbrochen, und so bleibt das Verhältnis zwischen dem Gerichtsmediziner und den Kriminalbeamten dauerhaft getrübt.

In den kommenden Episoden wird McCallum natürlich erscheinende Todesursachen in Zweifel ziehen, Serienmördern nachspüren, tödliche Bakterien bekämpfen. Bei alledem tritt nach und nach die Zerrissenheit dieses Egozentrikers zutage. In der vierten Folge versucht ein Unbekannter, den Pathologen sukzessive zu vergiften. Ein Handlungsmoment, das metaphorisch aufgefaßt werden darf – McCallum, von der Freundin verlassen, verliert zugleich jeglichen Halt.

Diese zunehmende Zerrüttung, die einhergeht mit einer aus der fortwährenden Beschäftigung mit dem Tod resultierenden Gier nach Leben, ergibt eine Entwicklungsgeschichte, die sich erst mit Betrachtung der gesamten Staffel – eine zweite wurde in Großbritannien bereits ausgestrahlt – vollends erschließt. Ob sich freilich ausgerechnet am konkurrenzstarken Samstagabend ein Stammpublikum für eine solche Serie finden läßt, darf füglich bezweifelt werden. Harald Keller