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Gift in den eigenen vier Wänden

■ Experten fordern Richtwerte für Schadstoffe in Innenräumen

Tabakrauch, Klebstoffe und schlecht gewartete Klimaanlagen sind Spitzenreiter bei den Allergieauslösern, sofern der Mensch sich in seinen vier Wänden oder im Büro aufhält. „Kurzfristig können Müdigkeit und grippeähnliche Beschwerden auftreten“, so der Umweltexperte Uwe Kasel. Langfristig sind die möglichen Folgen Lungenerkrankungen oder Schädigungen der Blase, warnte der Chemiker gestern auf dem Forum „Gift im Alltag“ der Techniker Krankenkasse.

Experten wie der Umweltsachverständige Andreas Kirchner fordern daher verbindliche Regelungen für die Innenraumluft: „Immerhin verbringen wir 80 bis 90 Prozent unserer Zeit drinnen.“ Bislang gibt es nur einen Grenzwert für Perchlorethylen. Für zehn weitere Schadstoffe existieren Empfehlungen in Form von Richtwerten. Besonders Kinder leiden unter den Schadstoffen in der Luft. Ein Drittel bis ein Viertel der Kinder und Jugendlichen hat allergische Probleme – wenn auch die meisten von ihnen unter Heuschnupfen leiden.

Udo Kasel vom Institut für Lebensmittel und Umweltforschung in Ahrensburg rät, eine Belastung mit potentiellen Allergieauslösern weitestgehend zu vermeiden: Dazu gehört der Verzicht auf Teppichkleber und eine Renovierung der Wohnung im Winter. Neue Polstermöbel und Matratzen sollten im Keller ausgepackt werden und dort eine Weile ausdünsten. Auch die verschimmelte Blumenerde von Zimmerpflanzen könne Allergien auslösen, betont Kasel. Und für den als Allergieauslöser bereits enttarnten Ficus gelte: Er muß leider draußen bleiben.

Die Hamburger Selbsthilfe- und Arbeitsgruppe Umweltkrankheiten schätzt, daß etwa fünf bis sieben Prozent aller Krankheitsbilder umweltbedingt sind. „Aufgrund des sorglosen Umgangs mit Gefahrenstoffen im Wohnbereich kommt es zu unspezifischen Symptomen“, so Gruppenmitglied Jürgen Ohlert. Noch immer werden zum Beispiel Pyrethoide zur Schädlingsbekämpfung in Wollteppichen eingesetzt. Die Aufklärung und Behandlung der Folgen, die durch den Kontakt mit den chemischen Substanzen entstanden sind, werden Patienten häufig sowohl von den Kassen als auch von den Ärzten verweigert, kritisierte Ohlert nach Abschluß der Veranstaltung.

Lisa Schönemann

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