Neue Überläufer in Kambodscha

■ Fünf hochrangige Rote Khmer wechseln die Seiten. Die Regierung in Phnom Penh hofft nun auf ein Ende der Kämpfe

Bangkok (taz) – In der holz- und rohstoffreichen kambodschanischen Region Pailin sammeln sich immer mehr führende Funktionäre der Roten Khmer, die vor dem zermürbenden Dschungelkrieg gegen die Regierung geflohen sind und nun auf Straffreiheit und ein angenehmes Leben hoffen. Wie jetzt bekannt wurde, spalteten sich fünf hochrangige Rote Khmer von dem berüchtigten Militärchef Ta Mok ab. Sie hätten „seit dem 3. Mai 1998 jegliche Kontakte“ zu Militärchef Ta Mok abgebrochen, um „in die Gesellschaft zurückzukehren“, erklärte die Gruppe und fügte hinzu: „Wir wünschen die königliche kambodschanische Regierung anzuerkennen. Wir wünschen Seine Majestät den König anzuerkennen.“

Der bislang als Erzfeind der Roten Khmer geschmähte Premierminister Hun Sen hat die Überläufer akzeptiert und wie hochrangige Würdenträger behandelt: Er begrüße die Rückkehr „Eurer Exzellenzen“ in das Leben der Gesellschaft, erklärte er am Wochenende. Allerdings schließe der Premier nicht aus, daß sie vor ein internationales Tribunal gestellt werden, hieß es in Phnom Penh.

Bislang ist unklar, ob ein von Menschenrechtlern gefordertes Verfahren je zustande kommen wird. Nachdem Anfang Juni über 1.000 Rote-Khmer-Soldaten in die Regierungsarmee übernommen wurden, kämpfen im unwegsamen Grenzstreifen im Norden offenbar nur noch kleine Einheiten der Guerillatruppe um Militärchef Ta Mok. Die fünf Überläufer ergaben sich jedoch nicht der Regierung in Phnom Penh, sondern sie schlossen sich dem ehemaligen Rote- Khmer-Außenminister Ieng Sary an. Der hatte sich bereits 1996 von der Organisation abgespalten und war von König Sihanouk mit einer Amnestie belohnt worden. Er darf seitdem wie ein Provinzfürst unbehelligt über Pailin herrschen. Unter seinem Schutz sollen bekannte Folterer aus der Zeit des Regimes der Roten Khmer leben.

Zu den fünf Funktionären gehört Choun Choeun, der ehemalige Gesundheitsminister des Terrorregimes, unter dem zwischen 1975 und 1979 mehr als eine Million Menschen umkamen, ebenso wie ein früherer Botschafter der Roten Khmer in China, Chan Youran. Auch der als Vertreter der französisch erzogenen „Intellektuellen“ bekannte Mak Ben, der vor einem Jahr den Schauprozeß gegen Pol Pot organisierte, fehlt nicht in der illustren Truppe. Sie organisierten unter anderem die Versorgung.

Verteidigungsminister Tea Banh bezeichnete die fünf als „die wichtigsten Intellektuellen“ der Roten Khmer. „Dies ist eine sehr gute Nachricht“, sagte er. Jetzt könne der Krieg bald beendet werden. Ex-Außenminister Ieng Sary, der 1996 eine eigene Partei gegründet hat, will nach eigenem Bekunden an den Parlamentswahlen am 26. Juli nicht teilnehmen. Mehrere hohe Funktionäre der Gruppe haben sich jedoch verschiedenen der 39 Parteien angeschlossen, die für die Wahlen registriert wurden. Jutta Lietsch