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Drei Mädchen und eine kleine Farm

■ Patriotismus und Wasserwellen: „Brombeerzeit“ von David Leland

In „Brombeerzeit“, dem neuen Film von David Leland, gibt es eine Szene, in der drei Freundinnen nachts durch einen Wald laufen. Geschützdonner hat sie geweckt; der Krieg ist ein seltsam schönes Leuchten am Horizont. Irgendwo dort, hinter dem bläulichen Zauberwald, liegt London. Stella, Ag und Pru, drei sehr unterschiedliche Charaktere, haben sich freiwillig zur Landarbeit gemeldet; es ist ihr patriotischer Beitrag zur Verteidigung Großbritanniens. Die Männer kämpfen an anderen Fronten gegen Hitler. „Brombeerzeit“ ist David Lelands („The Big Man“) Versuch, die unspektakuläre Rückseite des Zweiten Weltkrieges aus der Sicht daheimgebliebener Frauen zu erzählen.

Nur daß kein Mißverständnis entsteht: Es ist ein Film, der keine Langeweile aufkommen läßt. Diese Kurzweiligkeit dankt sich einerseits dem Humor der Regie, hat aber ebenso entschieden mit der ländlichen Häuslichkeit zu tun, die der Film gemächlich ausmalt – pflügen, melken, buttern, dazu das Sitzen an einem abendlichen Eßtisch, dessen halbschattige Ausleuchtung Rembrandt verpflichtet scheint. Möglicherweise ist kein Filmgenre scheinbar so einfach und tatsächlich so hinterhältig wie der Frauenfilm. Lelands Versuch beispielsweise ist nichts weniger als makellos angewandte Rosamunde-Pilcher-Haftigkeit. Pilchers eigene – durchaus interessante und unterhaltsame – Wahrheit über das Leben überredet den Leser durch eine Kombination aus natursymbolistischer Schicksalhaftigkeit, ethischer Belehrung, sinnstiftender Beschränkung und Hoffnung – im Konflikt zwischen Pflicht und Liebe. Obwohl bewußt im „harten“ Winter gedreht, ist auch „Brombeerzeit“ letztendlich lieblich, und das nicht nur mit Blick auf die Landschaft mit ihren sanften Hügeln, Flüßchen, Nebeln und Brücken aus Feldsteinen. Detailverliebtheit und Nostalgie liegen eng beieinander; größte Sorgfalt wurde auf die Kostüme und Frisuren gelegt. Wasserwellen, Turbane, Puffärmel am Tanzkleidchen, und bei der Arbeit Männerhosen aus Cord, die an den mädchenhaften Gastbäuerinnen latent unpassend wirken (man schreibt ja erst die 40er Jahre), aber unumgänglich sind (es ist Männerarbeit zu verrichten). David Leland indes fängt nicht viel mehr an mit diesem Rollenwechsel. Ihm geht es um Frauenfreundschaft, sexuelle Erfahrungen, kleiderwehende poetische Momente und etwas Tragik.

Vielleicht macht es einem all die Puppenhaftigkeit auch nur schwer, zu bedenken, daß dieser Krieg auch einen Alltag mit Spielzeug aus Zelluloid, Ersatzlippenrot und Mohrrübenkuchen hatte. Meiner Mutter jedenfalls würde der Film gefallen. Anke Westphal

„Brombeerzeit“. Regie: David Leland. Mit Catherine McCormack, Rachel Weisz, Anna Friel, Steven Mackintosh. GB 1998, 110 Min.

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