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Das "Unternehmen Zukunft" ist verunsichert. Seit dem ICE-Unglück von Eschede hat die Bahn ein Imageproblem. Die Ursache, ein gebrochener Radreifen, ist seit gestern geklärt. Das läßt sich beheben. Aber wie für einen Schnellzug werben, der i

Das „Unternehmen Zukunft“ ist verunsichert. Seit dem ICE-Unglück von Eschede hat die Bahn ein Imageproblem. Die Ursache, ein gebrochener Radreifen, ist seit gestern geklärt. Das läßt sich beheben. Aber wie für einen Schnellzug werben, der in Verruf geraten ist?

Katastrophen stehen nicht im Fahrplan

Ein Glas Rotwein während der Fahrt trinken, dabei verträumt aus dem Fenster blicken und die Hand der Mitfahrerin halten – Bahnfahren kann so schön sein. Diese Szene verbreitete die Deutsche Bahn AG seit Mitte Mai in einem Werbespot. Der Fernsehspot lief knapp zwei Wochen lang. Dann kam Eschede. Sofort stoppte die Bahn den Spot und versuchte Anzeigen desselben Inhalts für Zeitschriften und Plakatwände zurückzuziehen. Nach der Katastrophe von Eschede vermittelte die Bahn nur noch Trauer. „Es ist unpassend, sofort zur Tagesordnung überzugehen“, sagt Bahn-Sprecher Martin Katz. Das Unternehmen schaltete deswegen Traueranzeigen und warb in anderen Anzeigen um das Verständnis für die neuerlichen Verspätungen.

Pietät und Trauerflor werden bis nach der Trauerfeier das Bild der Bahn bestimmen. Die Graphiker und Texter der Werbeagentur Jung & von Matt tüfteln seit zwei Wochen an einer neuen Kampagne für die Bahn „nach ihrem GAU“, wie ein Werber sagt. Die renommierte und für ihre kreative Werbung bekannte Agentur arbeitet seit 1996 für die Deutsche Bahn AG. Jung & von Matt hatte auch die Rotwein trinkenden Reisenden ins Bild gesetzt.

Nach Eschede sind alle Mitarbeiter der Bahn verunsichert. Bahnfahren ist „zu einem sensiblen Thema“ geworden, „das nicht mit einer offensiven Werbung belastet“ werden soll, wie Martin Katz sagt. Aber auch eine ruhige Imagewerbung der Bahn fehlt. „Gar nichts zu machen, ist ein Fehler“, sagt Norbert Drees, Professor für Marketing an der Fachhochschule Erfurt. Ende der achtziger Jahre bereitete Drees als Unternehmensberater die damalige Bundesbahn auf ihr Leben nach der Privatisierung vor. Er war auch mit dafür verantwortlich, daß die Deutsche Bahn AG den Slogan „Unternehmen Zukunft“ unter ihr Logo setzte. Den hatten sich die kreativen Köpfe der Agentur Ogilvy & Mather ausgedacht, die der Bahn seit 1991 ein modernes Erscheinungsbild verpaßten.

„Die Bahn war auf so ein Ereignis überhaupt nicht vorbereitet“, sagt Drees. In den Schubladen der Bahnvorstände und leitenden Manager liegen zwar Pläne für den Notfall, der laut Bahnsprecher Katz auch dann und wann geprobt wird; darin steht zum Beispiel, daß sich Vorstandsmitglieder im Fall eines Unfalls an den Ort des Geschehens zu begeben haben. Für die Zeit danach jedoch sieht der Plan offensichtlich nichts vor.

Erst am morgigen Freitag treffen sich die Bahnchefs, um über eine neue Werbekampagne nach der Katastrophe von Eschede zu beraten. „Wir werden wieder offensiver werden“, kündigt Katz an, der kein Imageproblem auf die Bahn AG zukommen sieht. Ob allerdings der ICE beworben wird, ist noch unklar.

Seit Eschede sind die eleganten Züge in der Öffentlichkeit in Verruf geraten. Sie aber waren bislang der einzige Werbeträger der Deutschen Bahn, der ein modernes, zuverlässiges und gepflegtes Image des Unternehmens transportierte. Mit den schnellen ICE, die pfeilgleich durch die Landschaft gleiten, ist die Bahn seit 1991 in den Wettbewerb zum Flugzeug getreten. Vom Design der Schalensessel bis zum Servieren eines Kaffees am Sitzplatz und der bemüht freundlichen Stimme des Zugbegleiters orientierte sich die Bahn an den Verkehrsmitteln, die in der mobilen Gesellschaft als einzig adäquat galten. Selbstverständlich war der Bahn immer bewußt, daß sie die Strecke München–Hamburg nie auch nur annähernd so schnell wie ein Flugzeug zurücklegen kann. Aber die Bahnreisenden konnten sich wenigstens einbilden, daß sie weniger Energie verbrauchen und die Ozonschicht schonen.

Nur auf die Umweltfreundlichkeit von Zügen kann die Deutsche Bahn AG nicht setzen. Denn irgendwann, denkt Marketingexperte Drees, werden die Kunden merken, daß die Bahn den Güterverkehr auf Schienen zurückdrängt, um im selben Zuge Hochgeschwindigkeitsstrecken auszubauen. Das ist nicht umweltfreundlich. Außerdem fehle den Managern der DB „das Gesamtverständnis einer Bahnreise“. Denn Reisende wollen nicht nur von Hamburg nach München, sondern von Buxtehude nach Tutzing fahren. Da die Bahn aber in den letzten Jahren Regionalzüge abgebaut hat, braucht man für diese Strecken kaum weniger Zeit als vor Einführung der ICE. Ulrike Fokken

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