Hinter den Bildern

Die geheime Welt visueller Verbindungen: „Someone else with my fingerprints“ im Kunsthaus  ■ Von Hajo Schiff

Wie unfreiwillige Patrone grüßen am Eingang des Kunsthauses der verletzte Joseph Beuys in fast sakraler Pose, Martin Kippenberger als melancholisch abgewandter Westerner in Dawson City und Theodor W. Adorno bei der Räumung des Instituts für Sozialforschung. Über das Spiel mit dem Bildmaterial formt der Sammler Wilhelm Schürmann eine assoziative Erzählung. So positioniert sich die Ausstellung Someone else with my Fingerprints zwischen künstlerischer Didaktik, introvertiertem Wissen um die geheimen Verbindungen der visuellen Welt und dem schwierigen sozialen Anspruch der Fotografie. Die Bildvergleiche schwanken zwischen banalen Ähnlichkeiten und subtilen Bezügen auf die hinter den Bildern stehenden Bedeutungszusammenhänge.

Das Dokumentarbild des Kinostuhls „2.Gang, 3.Reihe, 5.Sitz, Texas Theatre, 231 West Jefferson Blvd, Dallas, Texas“ kombiniert mit Filmstills aus zwei B-Movies, kann vom Auge allein nicht verstanden werden. Erst der Blick in den Ausstellungszettel erschließt die Bedeutung: Hier saß Kennedy-Attentäter Lee Harvey Oswald bei seiner Verhaftung 1963 und die zitierten Filme liefen zu dem Zeitpunkt im Doppelprogramm.

Ein anderes Beispiel: Das zur Ikone gewordene Bild von Federico Fellini und Marcello Mastroiani 1962 bei den Dreharbeiten zu 8 1/2 ist eine schöne Paparazzo-Leistung von Tazio Secchiaroli. Er knipst unauthorisiert gerade jenen Regisseur, der durch seinen Film La Dolce Vita mit dem aufdringlichen Societyfotografen namens Paparazzo diesen als Typ erst ein Jahr zuvor sprichwörtlich gemacht hat.

Solche nur durch den Kontext erschließbare Bilder sind zentrales Anliegen dieser Wanderausstellung. Denn der Aachener Fotoprofessor Wilhelm Schürmann hat gelernt, dem Einzelbild zu mißtrauen. Er möchte darlegen, wie die anerzogenen Sichtweisen und medialen Standards die Bilderzeugung und Bildrezeption prägen. Schürmanns Umgang mit Bildern ist dabei entfernt der Kombinatorik auf den Bildtafeln verwandt, die der Hamburger Kulturwissenschaftler Aby Warburg in den 20er Jahren erstellte.

Immer wieder verwirren Filmstills in der Ausstellung die Realitätsebenen: Van Gogh malt das Selbstporträt von Kirk Douglas (oder war es umgekehrt?). Mißtrauische Therapeuten sichten in Kinderzeichnungen Hinweise auf Kindesmißbrauch und in eine Reihe von Schwämmen ist überhaupt fast alles hineinzudenken. In dieser hierarchielos gemischten Fotozusammenstellung ist allerdings doch eine Wand gleichmäßig einer Künstlerin gewidmet: Tracey Moffatt. Der Bildaufbau der Australierin folgt dem Prinzip alter Emblematik: In der Dreiheit Bild, Untertitel und Bildlegende erweitert sie das filmisch inszenierte Einzelbild zu Kurzgeschichten sozialer Zustände. Auf ähnliche Weise können alle Fotos dieses Ausstellungsexperiments zur Folie von Geschichten werden, die jeder Betrachter in ganz unterschiedlicher Art neu nachempfinden oder erfinden kann.

bis 9. August, Klosterwall 15