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Am Sonntag spielt die Fußballmannschaft Irans gegen die der USA. Die Mullahs wünschen sich einen Sieg, fürchten aber unkontrollierte Freudenkundgebungen in ihrem Land. Zufall oder nicht: US-Außenministerin Albright kündigte die Normalisieru

Am Sonntag spielt die Fußballmannschaft Irans gegen die der USA. Die Mullahs wünschen sich einen Sieg, fürchten aber unkontrollierte Freudenkundgebungen in ihrem Land. Zufall oder nicht: US-Außenministerin Albright kündigte die Normalisierung der Beziehungen zum Iran an.

Gottesstaat gegen Satan

Freitagsgebet in Teheran: In der fußballplatzgroßen Halle der Universität haben sich wieder viele tausend Gläubige versammelt; hier die Männer, dort, hinter dem Sichtschutz, die tschadorverhüllten Frauen. „Down with the USA“, skandieren sie alle, die Fäuste in die Luft gereckt. Der Ajatollah vorn wettert wider die ungläubigen Verbrechervasallen: „Down with the USA.“ Spruchbänder heizen die Stimmung an: „Nieder mit dem terroristischen, barbarischen, imperialistischen US-Regime.“

Da möchte man nicht US-Bürger sein. Obwohl uns ein Offizieller der Geistlichkeit erklärt, man habe ja gar nichts gegen die armen manipulierten Menschen im Feindesland, sondern nur gegen „die ausbeuterischen Verbrecher in Washington“. Na denn, morgen abend, 21 Uhr, spielen in Lyon, knapp 20 Jahre nach dem Sturz des Schah und seiner CIA-Marionetten, strammwadige Vertreter des imperialistischen Bösen gegen die Dribbler aus dem „Staat der Banditen“. Religiös gesagt: Gods own country gegen die Gottesstaatler der anderen Konfession.

Für die Mullah-Führung ist die Situation paradox. Ein Sieg gegen den „Großen Satan“ wäre für sie offiziell das Freudenfest schlechthin. Aber was wird dann aus dem überbordenden Jubel im Land? Mündet er womöglich Sonntag nacht ab 1 Uhr 20 Ortszeit in offene Rebellion? Westliche Medien spekulieren wagemutig in diese Richtung. Als Vorboten des Umsturzes gelten die Frauen, die Ende November zweimal verbotenerweise das Stadion von Teheran stürmten und als eine Art 200köpfiger schwarzer Block sowohl bei der Großbildleinwand-Übertragung aus Melbourne dabei waren als auch, diesmal sogar 5.000tschadorig, beim Empfang der Kicker im Stadion zwei Tage darauf. Auf den Straßen hatten sie ohnehin zu Hunderttausenden getanzt, ausgelassen, unkontrollierbar. Jetzt sind „beschleunigte soziale Umwälzungen“ noch die vorsichtigste Prognose, der Spiegel ließ einen westlichen Diplomaten vermuten, nach der „Schlacht in kurzen Hosen“ könne es „losgehen“. Gemeint: Die Gottesstaat-Gegenrevolution.

Das ist eher unwahrscheinlich (siehe Interview). Auch Präsident Chatami will seinen langsamen „Aufbau einer Zivilgesellschaft“ nicht gefährdet sehen und mahnt seine Landsleute: „Wichtig ist die Wahrung der Moral.“

Die IranerInnen sind vor allem stolz, dabeizusein. Sie hoffen auf Siege, aber hätten sie gegen Mexiko oder Dänemark spielen müssen, wäre es ihnen (fast) genauso recht wie gegen Jugoslawien (die Feinde der Muslime), gegen die US-Boys und gegen Bertis Mykonos-Mannen nächsten Donnerstag. Alle träumen vom Sieg gegen die USA, aber alle in Teheran sagen mit Augenzwinkern: In Allahs Namen, so politisch sei das nun auch nicht. Und Umsturz? Unfug. Wichtiger sind den IranerInnen soziale Verbesserungen, ein geschlechtsneutrales Recht auf Torjubel – und US-Jeans.

Fußball, hatte Lust- und Sportfeind Khomeini noch verfügt, sei „ein süchtig machendes Produkt des Westens“. Seinen Nachfolgern wäre wohl eine rauschabkühlende, vielleicht sportlich unglückliche Niederlage insgeheim genehm. Am besten nach heroischem Kampf, vielleicht mit einem Foulverletzten als Märtyrer durch einen umstrittenen Elfmeter.

Ob den Spielern das Getöse so wichtig ist? Chatami-Wähler Khodadad Azizi, der soeben mit dem 1. FC Köln abgestiegene vergötterte Sturmstar, hofft wie viele Teamkollegen bei der WM auf einen lukrativen Kontrakt im Westen. Warum nicht sogar in der US-Soccer-League? Kürzlich lud ein Team aus Los Angeles den Teheraner Club Esteghlal FC („Unabhängigkeit“) zu einem Freundschaftsmatch. Die iranischen Sportgewaltigen sinnen darüber, ob das eine Provokation ist oder eine ernste Aussöhnungsgeste. Kann es nach Ping-Pong-Diplomatie auch eine Kick-and-rush-Diplomatie geben? Zumindest hat das Lyoner Match für emsige diplomatische Aktivitäten gesorgt – seit US-Außenministerin Albrights Gesprächsangebote vom Donnerstag in Teheran auf ein vorsichtig-wohlwollendes Echo stießen.

Was für ein Wirbel. Es gibt fast schon mehr Akkreditierungswünsche der Medien, als das Lyoner Stadion insgesamt Zuschauerplätze hat. Jedes Foul wird geopolitisch interpretiert werden, jeder gewonnene Zweikampf wird die Überlegenheit des Systems symbolisieren. Schon bei der Auslosung hatte der US-Verbandspräsident gelästert: „Da fehlt ja nur noch ein irakischer Schiedsrichter.“ Die Fifa aber hat einen Schweizer bestellt. Begründung von Fifa-Chef Joseph Blatter: „Weil die Schweiz gute diplomatische Beziehungen zu beiden Ländern hat.“ Bernd Müllender, Teheran

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