: Die spinnen, die Historiker!
■ Echte Welt oder erfundene Dörfer? Zwei niederländische ForscherInnen haben Asterix-Comics anhand von Originalquellen auf ihre geschichtliche Authentizität untersucht
Rein statistisch gesehen müßte fast jeder Deutsche im Besitz eines Asterix-Heftes sein. Ein großer Lesespaß sind die von René Goscinny mit genialem Sprachwitz getexteten Comics schon immer gewesen, selbst als Lektüre im Fremdsprachenunterricht haben sie enorme Verbreitung erfahren. Wie aber sieht es mit der Authentizität der Geschichten aus dem gallischen Dorf aus? Könnten Asterix und Co. tatsächlich so oder zumindest so ähnlich gelebt haben, wie Goscinny und Zeichner Albert Uderzo es darstellten?
Dieser Frage sind zwei niederländische Asterix-Fans, der Althistoriker René van Royen und die Altphilologin Sunnyva van der Vegt nachgegangen. In ihrem jetzt auf deutsch erschienenen Buch „Asterix – die ganze Wahrheit“ suchen sie amüsant, gut lesbar und außerordentlich informativ nach Spuren bei den Kelten der Eisenzeit.
Hauptinformationsquelle sind dabei neben archäologischen Fundstücken die Berichte antiker Geographen und Historiker. Da ist einmal Caesar selbst, dessen „de bello gallico“ nicht nur leidgeprüften Lateinschülern ein Begriff sein dürfte, aber auch sein Biograph Sueton und vor allem die aus griechischer Schule stammenden Geographen Polybios, Poseidonios und Strabon. Poseidonios, der etwa zur Zeit des gallischen Kriegs starb, hat seinerzeit fast so wissenschaftlich wie heutige Ethnologen Feldforschung bei den Galliern betrieben und charakterisiert sie folgendermaßen: „Die Gallier sind abschreckend anzusehen und haben tiefe, rauhe Stimmen. Wenn sie sich treffen, sprechen sie mit wenigen Worten und in Rätseln, und häufig geben sie einander Hinweise, indem sie das eine sagen und das andere meinen. Ferner reden sie gerne in Superlativen, um sich selbst zu loben und andere herunterzumachen. Sie schneiden auf, drohen, sind verrückt auf pompösen Sprachgebrauch, haben einen scharfen Verstand und sind nicht ohne Lerntalent.“ Das klingt, als hätte Poseidonios seine Feldforschung in einem ganz bestimmten Dorf in der Bretagne betrieben...
Apropos Dorf: Auch die Darstellung des dörflichen Lebens mit seinen alltäglichen Verrichtungen scheint so authentisch wie möglich an der Historie orientiert zu sein. Auf bald fünfzig Seiten werden von „Alesia“ und „Feminismus“ bis „Homosexualität“ oder „Zunge herausstrecken“ Vorlieben und Facts in Sachen Asterix aufgelistet. Selbst für die Architektur der schrulligen Steinhütten lassen sich zutreffende Darstellungen finden. Und die Rollen des Häuptlings, des Druiden oder des Barden scheinen ebenfalls sorgfältig recherchiert zu sein. Daß beispielsweise Häuptling Majestix von seinen Leuten zwar akzeptiert, aber nicht übermäßig verehrt wird, scheint nach Untersuchung der niederländischen AutorInnen durchaus rechtens. Immerhin zitiert Caesar selbst den gallischen Häuptling Ambiorix: „Meine Herrschaft ist von der Art, daß das Volk mir gegenüber genausoviel zu sagen hat wie ich dem Volk gegenüber.“
Nur einer hätte bei Goscinny und Uderzo besser wegkommen müssen: Der Barde spielt in den antiken Quellen eine wichtigere Rolle als der unglückliche Troubadix im Comic. Udo Angerstein
René van Royen / Sunnyva van der Vegt: „Asterix – die ganze Wahrheit“. Verlag C. H. Beck, München 1998; 192 Seiten, 24,80 DM
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