: Die 1.500-Folgen-Wiederholung
■ "Gute Zeiten, schlechte Zeiten": So hip wie Gerhard Schröder, der zum Jubiläum dabei ist
Es gibt ja Dinge im Leben, die will man lieber nicht glauben. Daß die mehrfachdumme Teenager-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ am 22.6. schon schreckliche 1.500 Folgen alt wird, will man zum Beispiel kaum glauben. Von diesen angeblichen 1.500 Folgen sind doch mindestens acht Drittel Wiederholungen.
Ich weiß das. Ich gucke doch schließlich alle sechs Monate mal rein, und immer passiert das gleiche: Eine blöde gutaussehende Tussi geht mit einem blöden gutaussehenden Typen ins Bett und hat (vollständig angezogen!) Sex mit ihm, obwohl er mit einer ganz anderen Tussi liiert ist. Skandal! Schnitt! Werbung für Damenbinden! Danach: Frecher Schüler macht unglaublich blöden Schülerstreich in einer Schule, die man nie von innen sieht. Böses Ende! Standbild! Werbung für eine blöde CD zur Serie! Folge fertig! Vorschau auf die nächste Folge: Blöder gutaussehender Typ geht mit Tussi ins Bett... Also nee! Wo gibt es denn hier, bitteschön, 1.500 Folgen zu feiern? Wenn RTL ehrlich wäre, dürfte da doch allerhöchstens Folge 43 bejubelt werden.
Wer trotzdem 1.500 Folgen „GZSZ“ feiern will: Heute um 19.40 Uhr sendet RTL zum „Jubiläum“ drei Folgen am Stück: 1498, 1499 und 1500. Ein paar Sachen darin sind sogar neu: Flo und Andy heiraten zum Beispiel (das haben sie vorher meines Wissens nach noch nie gemacht, aber die sind ja auch gerade mal 18 oder so...). Gerhard Schröder gibt bildschirmfüllend seinen Segen dazu (er hat's anscheinend nötig). Und Charly Fierek geht tot. Aber das ist nicht schlimm, der Schauspieler (Julian Scheunemann) war eh eine lebende Bildstörung. Außerdem klaut die böse Sonja der armen Flo ihr Brautkleid, und der doofe Andy läßt Trauringe in einen Gully fallen. Huh, hoffentlich verpass' ich diese Folge nicht!
Zur Zeit hat GZSZ übrigens bis zu 6 Millionen Zuschauer, die sich das Elend ohne gezwungen zu werden jeden Tag angucken. Als die Dauerseife im Mai 92 startete, waren es nur 840.000. Aber damals wollte RTL ja auch noch „realistische Figuren zur Identifikation für junge Leute“ bieten.
Das will RTL zwar heute angeblich immer noch, aber von dem Anspruch kann der Sender mittlerweile weiter weg gar nicht mehr sein: Bei GZSZ sind die Figuren inzwischen so realistisch wie Dath Vader und die Jedi-Ritter: Flo Spira sieht aus wie 15, ist aber schon eine hochdotierte und anerkannte Fotografin! Da braucht sie keine Ausbildung für. Nee, nee! Leon ist Tausend-Sterne-Chefkopf im Edelrestaurant „Fasan“. Da braucht er natürlich auch keine Ausbildung für. Aber woher denn! Vanessa ist dumm und dürr und darf trotzdem ganz ohne Ausbildung ein Feinschmeckerrestaurant leiten. Der ausbildungslose Kollege Jörg Reuter wird mal eben so aus dem Stand Mode-Journalist. Warum soll man überhaupt noch was lernen (Merke: In GZSZ sind alle durch die Bank weg Schulabbrecher!), wenn man sowieso nachher eine eigene „Moto-Cross- Werkstatt“ oder die Spielzeugfirma „Der kleine Prinz“ leiten darf?
Charly ist 22 und war bis jetzt schon Schlagzeuger bei „Just Friends“, Chef eines Plattenladens und Chef eines „American Store“. Was wird er morgen? Papst? Ach nee, er stirbt ja vorher...
Mit wem sollen sich denn die jungen Zuschauer hier bitteschön „identifizieren“, liebe RTL-Redaktion? Mit dem schwulen Phillip, der ein gefeierter Discjockey in London war, aber jetzt lieber hier mit seinen Freunden versauert und Daniel beim Wohnungrenovieren hilft, weil das ja auch schön ist? Mit der Lehrerin Elisabeth Meinhart, die zwar schon 50mal ihre Stelle an der örtlichen Schule gekündigt hat, sie dann aber ein paar Monate später immer anstandslos wieder kriegt? Es wundert mich eigentlich, daß bisher noch keine Horde arbeitsloser Referendare die Sendestudios gestürmt hat.
Aber Serienfans stecken ja viel weg. In 1.500 Folgen haben sich beispielsweise nach Angaben der RTL-Pressestelle „bereits über 8.000 Kostümteile angesammelt“. Davon gehören allein 150 Stücke dem Ex-Flittchen Katja Wittstein (übrigens die einzige Darstellerin der Serie, die auch tatsächlich etwas „darzustellen“ in der Lage ist).
150 hippe Fummel, obwohl sie nur Aushilfskellnerin ist. Hauptsache sie sieht hip aus. Und darum sehen auch die Türgriffe in der Serien-WG so hip aus, daß ein realer Student für eine Klinke schon zwei Monate Bafög hinblättern müßte. Aber egal! Solange alle und alles immer schön hip und unrealistisch bleibt, wird GZSZ auch weiterhin die höchsten Einschaltquoten im deutschen Dayly-Geschäft haben. Und darum können wir aller Voraussicht nach auch weiterhin jeden Tag eine hübsche neue Wiederholung sehen. Mindestens bis zur Folge 3.000! Hip! Frank M. Ziegler
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