: In Predigt und Kasse klaffen Löcher
Österreichs zerstrittene katholische Kirche konnte sich durch den Besuch von Papst Johannes Paul II. weder psychologisch noch finanziell sanieren. Die Begeisterung der Massen hielt sich daher auch in Grenzen ■ Aus St. Pölten Ralf Leonhard
Wird er sich für die Ernennung der Bischöfe Hans Hermann Groer und Kurt Krenn entschuldigen? Oder wird er nicht? Obwohl diese Frage in den Tagen vor dem Papstbesuch in Österreich in aller Breite erörtert wurde, konnte keiner ernsthaft annehmen, daß Johannes Paul II. über den eigenen Schatten springen würde. Die Fehlbesetzungen, die 1986 eine konservative Wende in der österreichischen Kirche einleiteten, haben die Katholiken zwischen Wien und Bregenz nachhaltig entzweit. Kardinal Groer wurde wegen glaubhafter Vorwürfe, er hätte jahrelang Seminaristen sexuell mißbraucht, in ein Frauenkloster in der ehemaligen DDR abgeschoben. Aber der reaktionäre Kurt Krenn, Bischof der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten, führte Regie, als der Papst am Samstag in seiner Diözese eine Feldmesse zelebrierte.
Unter diesen Umständen wäre es naiv gewesen, kritische oder selbstkritische Worte des Pontifex maximus zu erwarten. Dementsprechend gering war die Begeisterung des Kirchenvolkes. Statt der erwarteten 35.000 Gläubigen waren nur geschätzte 25.000 erschienen. Auch die in Reisebussen aus Polen und den östlichen Nachbarstaaten angereisten Papstfans konnten den Landhausplatz vor dem Regierungskomplex nicht auffüllen. Das Spalier entlang der Route des Papstmobils blieb schütter, obwohl Gruppen von Zaungästen immer wieder den Platz wechselten, um dem Kirchenoberhaupt ein weiteres Mal zuwinken zu können. Die Devotionalienhändler blieben auf ihren Rosenkränzen, die Imbißhändler auf ihren Papst- Burgern sitzen.
Die Sitzplätze waren von Bischof Krenn mit Mitgliedern fundamentalistischer Gruppen wie der Marianischen Bewegung besetzt worden. So konnte er sich des Applauses sicher sein, als er den abwesenden Kardinal Groer in sein Gebet einschloß.
Eine Demonstration mit schwarzen Heliumballons, die zu einer Trauerwolke aufsteigen sollten, wurde von der Polizei untersagt. So mußten die Krenn-Gegner, die 47.000 Unterschriften gegen den umstrittenen Bischof gesammelt hatten, sich auf eine stumme Manifestation mit schwarzen Luftballons und zahmen Transparenten wie „Krenn, go Rome“ beschränken. Aber selbst dies war den Konservativen zu viel. Eine Gruppe aggressiver Krenn- Jünger stürzte sich auf die Demonstranten.
Der 78jährige Papst, der sich nur mühsam auf den Beinen hielt, unterließ es, den innerkirchlichen Streit durch klare Worte zu beenden. Eine im Manuskript der Predigt vor dem Salzburger Dom am Freitag vorgesehene Passage über den Umgang mit der Macht, die als Anspielung auf den machtbewußten Krenn und auf den Machtmißbrauch Groers interpretiert werden könnte, entfiel bei der Verlesung.
Der abschließende Gottesdienst auf dem Wiener Heldenplatz galt der Seligsprechung dreier Österreicher: die 1894 in Mähren gebürtige Ordensschwester Maria Restituta Kafka wurde 1943 von den Nazis hingerichtet, weil sie das Kruzifixverbot in den Krankenhäusern mißachtete. Anton Maria Schwarz, der Gründer des Calasantinerordens, und Prämonstratenserpater Jakob Kern sollen Wunder gewirkt haben.
Der Bruch in Österreichs Kirche ist durch den dritten Besuch dieses Papstes nicht gekittet worden. Zurückbleiben wird ein tiefes Loch im Haushalt der katholischen Kirche. Statt der veranschlagten fünf Millionen Mark hat die Veranstaltung mindestens sechs Millionen gekostet. Allein die Tribüne vor der Nationalbibliothek auf dem Heldenplatz verschlang das Jahresbudget eines mittleren Krankenhauses. Die Bischöfe bitten um Spenden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen