Lukaschenko an sein Volk in Liebe und Zuneigung

■ Das Verhältnis von Weißrußlands Präsident zu seinen Untertanen treibt seltsame Blüten

Berlin (taz) – „Weißrussen, ihr seid mir das Liebste auf der Welt“, ist eine der Lieblingsäußerungen des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Der Zuneigung seines Volkes scheint sich der seit 1994 amtierende Staatschef jedoch nicht sicher zu sein. Immerhin hat seine persönliche Leibgarde über 1.000 Mitglieder. Und die großen Plakate mit seinem Konterfei sind aus den Buchhandlungen verschwunden, weil sie bei Demonstrationen gelegentlich in Flammen aufgingen.

Die Zuneigung des Präsidenten zu seinem Volk treibt seltsame Blüten. Die weißrussische Sprache jedenfalls sollten die Menschen besser nicht in der Öffentlichkeit benutzen. Wer aus der Reihe tanzt, läuft Gefahr, mit dem Schlagstock eines Milizionärs Bekanntschaft zu machen. „Es gibt nur zwei Weltsprachen mit einem kulturellen Wert – Englisch und Russisch“, verkündete Lukaschenko, der das Problem hat, keine von beiden zu sprechen. Er benutzt ein Gemisch aus Russisch und Weißrussisch.

Lukaschenko arbeitet unermüdlich fürs Volk. Neulich kündigte der ehemaige Vorsitzende einer Kolchose an, von einem Hubschrauber aus zu prüfen, ob die Bauern der Kooperativwirtschaften auch korrekt die Saat ausbringen. Wenn der 43jährige Präsident, der in einem Interview unverhohlen seine Sympathien für Adolf Hitler kundtat, nicht gerade den inneren Feind jagt, ergeht er sich gerne in Verschwörungstheorien. Die westliche Mafia habe verhindert, daß die weißrussische Mannschaft bei der Winterolympiade erfolgreich war, ließ er wissen. Auch die Botschafter, die Minsk heute verlassen, agitieren gegen das Land, weiß der Präsident.

Ab Mitte dieser Woche agitiert Lukaschenko in eigener Sache – bei einem Wirtschaftsforum in der Schweiz. Dort wird sein neues Buch vorgestellt: Gesammelte Reden zur Zukunft Weißrußlands. In seiner Heimat ist das Werk seltsamerweise noch nicht aufgetaucht. Viele Leser hätte es wohl ohnehin nicht. Barbara Oertel