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Stadtquartier für Menschen und Autos

Deutsche Bahn plant ein neues Gesicht für Rothenburgsort  ■ Von Heike Haarhoff

Der Wiederaufbau erfolgte in beeindruckendem Tempo. Schuppen, Häuserblöcke, Schulen, Läden – Ende der 50er Jahre war das kriegszerstörte Arbeiterviertel Rothenburgsort wieder das, was man einen Stadtteil nennen kann. Einen provisorischen, zumindest.

In der Eile kam es darauf an, die ausgebombten Menschen kostengünstig unterzubringen. Da spielte es keine Rolle, daß die Fenster bloß einfach verglast waren und die Ofenheizungen rußten. Niemand störte sich daran, daß der einst baumbestandene Marktplatz mit Pavillonläden zugepflastert wurde und Lkws durchs Wohnviertel zu den Speditionen brettern durften.

Daß dieser Zustand nicht für die Ewigkeit angelegt war, hat die Stadt Hamburg spät, aber im vorigen Jahr eingesehen. Nun treibt sie die Sanierung in Rothenburgsort voran. Nur ein richtiges Ortszentrum fehlt weiterhin. Das soll sich ändern: Auf dem 1993 stillgelegten „Huckepackbahnhof“ an der Billstraße, mehr als 100 Jahre lang Zentrum des Güterverkehrs, plant die Deutsche Bahn Immobilien als Eigentümerin der zehn Hektar großen Brache einen Hamburg Motion Park als „neues Stadtquartier, in dem gewohnt, gearbeitet, sich erholt und eingekauft wird“. So steht es in dem druckfrischen Konzept der Bahn, das der taz vorliegt.

In der neuen „Mitte für Rothenburgsort, Hammerbrook und Klostertor“ sollen einmal rund 1300 Menschen in 500 Wohnungen „ökologischer Bauart“ leben und weitere 1500 in Verwaltung, Dienstleistung, Handel, Gastronomie und Entertainment arbeiten.

Daneben sind sechsgeschossige Bürobauten, ein Jugendzentrum, eine Kindertagesstätte und eventuell eine weiterführende Schule vorgesehen. Bislang ist in Rothenburgs-ort mehr als ein Hauptschulabschluß nicht möglich.

Die Grünachse von der Elbe bis zur Alster wird ausgebaut: 40 Prozent der derzeit komplett versiegelten Fläche werden entsiegelt – für 50.000 Quadratmeter Park- und Erholungsflächen. Der S-Bahnhof Rothenburgsort soll durch längere Bahnsteige, Imbißbuden und Lädchen kundenfreundlicher werden.

Stutzig allerdings macht der Vorschlag der Bahn, ein Drittel der Nutzfläche einem Ausstellungszentrum über „Mobilität“ zu widmen. „Motion Park Plaza vereinigt die Vielfalt von Mobilität“, heißt es beschönigend. Dann wird die Bahn konkreter: Automobiltechnik und Design, Motorsport, Verkehrsleittechnik, Verkehrsunternehmen – sprich: ein immenser Fuhrpark der Automobilindustrie soll sich auf 40.800 Quadratmetern breit machen dürfen; das entspricht dem Anteil für Wohnungsbau.

Dennoch reagierten die Bezirksparteien, denen das Konzept im Stadtplanungsausschuß des Bezirks Mitte präsentiert wurde, durchweg „positiv“. Die „Skizze“, die ein ganz frühes Stadium der Planung repräsentiere und „weiterer Überarbeitung“ bedürfe, könne sich als „Aufwertung des Stadtteils“ entpuppen, so GAL-Fraktionschefin Helmke Kaufner.

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