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„Halbdemokrat“ mit Law-and-order-Parolen

■ Alexander Lebed macht als Gouverneur von Krasnojarsk seit kurzem wieder Politik. Jetzt schielt der Exgeneral nach dem Präsidentensessel und die Moskauer Intelligenz graust es

Moskau (taz) – Enorme Hoffnungen und traumatische Ängste verknüpfen sich mit seiner Person: Exgeneral Alexander Lebed schaffte im Mai den Sprung in das Oberhaus des russischen Parlaments, den Föderationsrat. Mit einer komfortablen Mehrheit wählten ihn die Bürger des sibirischen Gebietes Krasnojarsk zu ihrem Gouverneur. Hauptsächlich die darbende ländliche Bevölkerung schenkte dem bärbeißigen Militär ihr Vertrauen. Zweifellos wird der einstige Boxmeister das Amt nutzen, um seine Position für die Präsidentenwahlen 2000 auszubauen.

Bereits bei den letzten Wahlen im Sommer 1996 war es Lebed, der mit 15 Prozent Stimmen in der Stichwahl zum Königsmacher avancierte und Präsident Jelzin die zweite Amtsperiode sicherte. Der Kremlzar dankte es ihm und ernannte Lebed zum Chef des Sicherheitsrats. In dieser Funktion gelang es ihm im August im Krieg mit der Republik Tschetschenien einen haltbaren Waffenstillstand zu zimmern. Weniger beständig zeigte sich die Gunst des Präsidenten, der den ambitionierten Nebenbuhler im Oktober vor die Tür setzte. Seither befand sich der flammende Patriot auf der Suche nach einer aussichtsreichen und angemessenen Rolle in der Politik.

Versuche, mit anderen Politikern eine „dritte Kraft“ zu schaffen, die den politischen Klientelismus Moskaus durchaus beleben könnte, scheiterten an der Egomanie des Saubermanns. Im Gegensatz zum politischen Establishment Moskaus genoß Lebed bei den Tschetschenen Vertrauen. Das ist denn auch die Masche des Politikers Lebed, die ihm in Krasnojarsk einen überwältigenden Erfolg bescherte. Er beherrscht die Klaviatur des Populismus fast instinktiv. Seine Losungen sind einfach: Law and order, aufräumen, wobei zumindest seine Klientel unter Gesetz nicht unbedingt Rechtsstaatlichkeit versteht. Auch Rußlands erfolgreichster Außenseiter läßt daran gelegentlich Zweifel aufkommen. Er selbst bezeichnete sich als „Halbdemokrat“. Davor graut Rußlands Intelligenz, während die herrschende Elite schlicht Revanche fürchtet. Klaus-Helge Donath

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