piwik no script img

Von der Hand in den Mund

Die ökologisch korrekte Bio-Erdbeere gibt's auch zum Selberpflücken: Der rote Renner der Saison heißt in diesem Jahr Corona  ■ Von Susanne Hericks

Ein kräftiger Wind weht über das Erdbeerfeld von Lars Wiencke. Keine Menschenseele ist auf dem grünen Hang zu sehen. Dafür massenhaft dicke rote Tupfer und eine Bioland-Fahne, die am Rande des Feldes flattert. Ein weißes Stoffzelt schützt Schalen und Körbe, die große Waage und die kleine Geldkassette vor der Sonne, die hier in Schleswig-Holstein, etwa 70 Kilometer vom trüben Hamburg entfernt, fleißig scheint. An den Straßenkreuzungen rund um Gut Kamp weisen Bioland-Erdbeerschilder den Weg zum Selberpflücken. Und wenn, wie im Moment, Lars Wiencke oder seine MitarbeiterInnen nicht da sind, bedienen sich die SammlerInnen offenbar trotzdem, denn auf der Kasse liegen einige Mark- und Fünfmarkstücke.

Fünf Sorten Erdbeeren wachsen auf den zweieinhalb Hektar Land, Schilder benennen sie. Doch was unterscheidet Malling Pandora, Pegasus, Polka, Haneoye und Corona? Alle strahlen in kräftigem Rot und verleiten zum sofortigen Selbstversuch. Der erste Biß in Haneoye weckt Begeisterung: wunderbar süß und regelrecht knackig – da ist eine Überprüfung des eventuell vorschnell gefaßten Urteils erforderlich. Zwanzig Haneoyes später der Griff zu Polka. Die ist nicht nur kleiner, sondern auch flau und hat noch nicht mal Anrecht auf einen Platz im noch immer recht geräumigen Korb. Dafür Corona: Fest im Biß, herrlich erdbeerig süß, beschwört sie längst vergangene Jugendzeiten und stellt selbst Haneoye in den Schatten.

Zum Glück für die am Wochenende geplante Erdbeertorte taucht jetzt Lars Wiencke auf und gibt Auskunft: Am leckersten und größten, bestätigt der Erdbeerbauer, ist tatsächlich Corona. Sie gelte in diesem Sommer als die Königin der kontrolliert-biologischen Erdbeeren, erzählt Wiencke und erklärt auch gleich, was den roten Renner zur ökologisch-korrekten Bio-Beere macht. So würden „im konventionellen Erdbeeranbau z.B. Fungizide gegen den Grauschimmelpilz eingesetzt“. Das hat verdauungsbeschwerliche Folgen: Restbestände davon „gelangen mit den Erdbeeren in den Darm des Menschen und machen dort keinen Unterschied zwischen guten und schlechten Darmpilzen, sie bekämpfen einfach alle“.

Und Fungizide seien nicht die einzigen chemischen Stoffe, die auf und in konventionell angebauten Erdbeeren zu finden sind. Auch Herbizide und synthetische Düngemittel würden in der Regel auf den konventionellen Feldern ausgebracht. Die kontrollierte Bio-Beere dagegen komme allenfalls mit der mechanischen Hacke in Berührung. Distel oder Kamille, Käfer oder Schnecke, die hie und da zwischen den Erdbeersträuchern herumtreiben, störten schließlich keinen.

Die Quecke, ein fast unverwüstliches Gras-Unkraut, allerdings schon. Da keine Herbizide gesprüht werden, gelinge es „nur durch mehrfaches Unterpflügen, die Wurzeln so zu schwächen, daß die Pflanze aufgibt“, doziert Lars Wiencke. Damit sich das anhängliche Kraut erst gar nicht breitmacht, bleiben Bio-Erdbeeren deshalb in der Regel nur drei Jahre auf dem Feld. Dann werden sie untergepflügt und bodenaufbauende Leguminosen (Hülsenfrüchter) gepflanzt. Leguminosen binden den Luftstickstoff und reichern den Boden mit Mineralien an.

Daß sich der Aufwand lohnt, erfährt Lars Wiencke jedes Jahr von neuem, oft ist er selbst erstaunt über die Anziehungskraft seiner Bioland-Erdbeeren. „Hier kommen superreiche Leute mit dicken Autos, weil sie oder ihre Kinder Allergien haben oder Probleme mit der Verdauung. Die pflücken natürlich nicht selber“, lacht er, „die lassen uns pflücken.“

Die Bioland-Erdbeeren von Gut Kamp (23827 Travenhorst, % 01 71/952 14 32 oder 043 26/985 95) gibt es noch bis mindestens Mitte Juli. Das Kilo kostet 6 Mark, wer pflücken läßt, zahlt 9 Mark. Der Erdbeerhang liegt bei Bad Segeberg zwischen Klein Rönnau und Berlin: In Bad Segeberg der B 432 Richtung Ahrensbök folgen, in Klein Rönnau nach links in Richtung Berlin abbiegen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen