piwik no script img

Brokdorf strahlt, Minister kuscht

Energieminister Möller gab kleinlaut bei: Das Atomkraftwerk ist seit heute wieder am Netz  ■ Von Heike Haarhoff

Der Stillstand währte nur einen Monat: Das Atomkraftwerk Brokdorf ist seit dem frühen Morgen wieder am Netz. Gestern nachmittag gab Schleswig-Holsteins Energieminister Claus Möller (SPD) grünes Licht für den Reaktor, der für Überwachungsarbeiten seit dem 25. Mai abgeschaltet war.

Von einem „mangelnden Entsorgungsnachweis“ für verbrauchte Brennelemente, den Möller in den vergangenen Wochen angeprangert hatte, war gestern keine Rede mehr. Laut Gesetz sind die AKW-Betreiber verpflichtet, die Entsorgung für sechs Jahre im voraus nachzuweisen. Andernfalls müssen sie das AKW vom Netz nehmen. Brokdorf aber verfügt nur bis 2003 über ausreichend interne Lagerkapazitäten. Und die – alternativ möglichen – Atommüll-Transporte zu Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA) in Frankreich und Großbritannien sind wegen des Castor-Skandals bis auf weiteres gestoppt.

Möller hatte daher noch vorige Woche „bezweifelt“, daß seine Aufsichtsbehörde der Wiederanfahrt zustimmen werde. Weil aber, so sein Sprecher Marco Carini, der Entsorgungsnachweis aus Sicht von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) erbracht sei, habe sich Kiel gefügt: „Wir hätten sonst Schadensersatzklagen riskiert.“ Die bloßen Verträge mit den WAAs reichen demnach aus, denn: „Man muß nicht nachweisen, wie man das Zeug dahin bekommt.“

Diese Sorge beschäftigte den Umweltausschuß der Hamburger Bürgerschaft beim Expertenhearing in Sachen Atom-Skandal wenig. Nach vierstündiger Debatte am Donnerstag abend waren die Abgeordneten nur mäßig schlauer: HEW-Vorstandssprecher Manfred Timm erklärte, sein Stromkonzern könne erst „in der nächsten Woche“ abschließend sagen, von wie vielen verstrahlten Transporten man gewußt und wann an wen diese Information weitergegeben worden sei.

Nebenbei watschte Timm Umweltsenator Alexander Porschke (GAL) ab, der vom HEW-Chef zu wissen begehrte, ob „bei Ihnen die Bereitschaft besteht, den Umweltsenator über seine Funktion als Aufsichtsrat hinaus zu informieren?“ Timm: „Ja, aber der Senator muß die Informationen für sich behalten.“

„Ohnehin“, assistierte Gerald Hennenhöfer vom Bundesumweltministerium, gehe nur „Minimalstrahlung“ von den Behälteraußenwänden aus. Deshalb habe „weder für Begleitpersonal noch die Bevölkerung Gesundheitsgefahr“ bestanden. Timm, der gestern 60 wurde und dieserhalb in einer Feierstunde warmen Worten der Gratulation von Bürgermeister und HEW-Aufsichtsratschef Ortwin Runde (SPD) lauschen durfte, mochte sich folglich nichts vorwerfen: Im Grunde, erklärte er schulterzuckend, „gibt es keine verläßliche Meßmethode für Behälter, die beladen sind“.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen