Vorschlag

■ Eine Art Forschungsinstitut – Dub Syndicate im Pfefferberg

Eine seiner älteren Platten hieß „Research & Development“. Und Dub Syndicate war auch immer weniger eine Band als ein Forschungsinstitut, das Praktikanten beschäftigte, Wissenschaftler zu Gastvorträgen lud und sich mit versammelter Erfahrung und Forscherdrang auf Streifzüge durch die Geheimnisse des verschleppten Off- Beats begab. Doch die andauernd durchgeführten Forschungsreisen waren nicht allein historisch angelegt und führten unsere Gelehrten durch die Geschichte des Dub. Auch neue Gebiete wurden erschlossen, Grenzbereiche ausgekundschaftet, verwegene Experimente gewagt, die – wie das in der Wissenschaft nun mal ist – auch mal schiefgehen konnten. Und wie das mit solchen Unternehmungen so geht, können sie ziemlich langwierig sein und auch in die Irre führen.

Wenn man sich auf einen Dub des Dub Syndicates einläßt, dann sollte man tunlichst die Augen schließen und aufs Kleingedruckte hören. Wie eine Horde relaxter Archäologen legen sie Schicht um Schicht der Struktur des Reggae frei und kehren nebenan den abgetragenen Staub zu apart schunkelnden Häufchen zusammen. Zwischen Echos und Hall, tausenderlei Percussioninstrumenten und elektronischen Beats, zwischen Samples und bekifften Gitarren, feisten Bässen und flirrenden Soundeffekten entsteht eine kleine verschrobene Welt, die sich nur um sich selber dreht, aber dabei zuzuhören kann sehr erhellend sein.

So intensiv hat man sich um das Forschungsobjekt gekümmert, daß inzwischen schon fast eine eigene Doktorarbeit über die Geschichte des Dub Syndicates ansteht. Die Anfänge sind verschwommen, war das Dub Syndicate in den frühen Tagen des Projekts doch kaum mehr als eine lose Ansammlung von Musikern um Adrian Sherwood, der sich längst zur alles beherrschenden Vaterfigur des englischen Dub gemausert hat, und sein Label „On-U Sound“ veröffentlicht zwar inzwischen nicht mehr alles Relevante im Dub- Bereich, aber gibt zumindest ideologisch noch heute die offizielle Linie des Genres vor.

Doch damals spielte das Syndikat für jedermann die Backing Band und gab die Folie für die Ideen von Sherwood ab. Wenn im Studio mal gerade ein bißchen Zeit war, jammte man selbständig drauflos, so entstand Dub Syndicate als Band, auch wenn die ersten Platten unter dem eigenen Namen erst in den 80ern erschienen. Anfang der 90er schließlich überließ Sherwood seinem engen Vertrauten Lincoln „Style“ Scott das Markenzeichen, und das Dub Syndicate wurde erstmals zu einer echten Band, die auch live auftrat. Die Besetzungen wechselten trotzdem ständig, lasen sich aber auch weiterhin wie ein „Who is Who“ des Dub. Einzige Konstante seitdem ist Scott, während Guru Sherwood nur noch selten bei der Veranstaltung mittut. Thomas Winkler

Heute, 22 Uhr im Pfefferberg, Schönhauser Allee 176, Prenzlauer Berg