■ Dokumentation
: Die gemeinsame Ehre ging verloren

Die Kommunistische Partei, die vor dem Kriege in weitem Umfang das Vertrauen des Volkes genossen hatte, hat dies Vertrauen sukzessive gegen Ämter eingetauscht, bis sie alle diese Ämter bekommen hatte und nichts anderes mehr besaß. (...) Die fehlerhafte Linie der Führung hat diese Partei aus einer politischen Partei und einem idealistischen Verband in eine Machtorganisation verwandelt, die eine gewaltige Anziehungskraft auf herrschsüchtige Egoisten ausübte, auf skrupellose Feiglinge und Leute mit schlechtem Gewissen.

Ihr Einfluß wirkte auf den Charakter und das Verhalten der Partei, die im Inneren keineswegs derart organisiert war, daß ihrem Einfluß anständige Menschen auf die Dauer ohne beschämende Kompromisse hätten widerstehen können. Viele Kommunisten haben versucht, gegen diesen Verfall anzukämpfen, aber es ist ihnen nicht gelungen, auch nur ein wenig davon zu verhindern, was dann Wirklichkeit geworden ist.

Die Zustände in der KP waren Vorbild und Beispiel der gleichen Zustände im Staat. Die Verflechtung der Partei mit dem Staat hat dazu geführt, daß sie den Vorteil des Abstandes von der verfassungsmäßigen Macht verloren hatte. Die Tätigkeit des Staates und der wirtschaftlichen Organisationen durfte nicht kritisiert werden. Das Parlament verlernte zu tagen, die Regierung zu regieren und die Direktoren zu dirigieren. Die Wahlen verloren ihren Sinn, die Gesetze verloren an Bedeutung. Wir konnten unseren Abgeordneten in keinem Ausschuß mehr vertrauen, und wenn wir es gekonnt hätten, hätten wir von ihnen nichts verlangen können, weil sie sich nicht hätten durchsetzen können.

Noch schlimmer aber war, daß wir einander, einer dem anderen, so gut wie gar nicht mehr vertrauen konnten. Die persönliche und die gemeinsame Ehre ging verloren. Zur Anständigkeit reichte es einfach nirgends mehr, und von der geringsten Wertung der Menschen nach ihren Fähigkeiten zu reden, wäre müßig gewesen. Daher hat die Mehrheit der Menschen das Interesse an der öffentlichen Sache verloren, sie kümmerten sich nur mehr um sich selbst und um Geld, obwohl zur Schlechtigkeit der Verhältnisse auch der Umstand gehört, daß man nicht einmal auf dieses Geld sich heute noch verlassen kann.

Die Beziehungen zwischen den Menschen verdarben, die Freude an der Arbeit ging verloren, kurz, für das Volk sind Zeiten angebrochen, die die seelische Gesundheit des Volkes und seinen Charakter bedrohen.

Auszug aus dem „Manifest der 2000 Worte“