: Programmatisches Parteibuch
Gesichter der Großstadt: ab September wird Barbara Groth neue Fernsehdirektorin beim SFB. Sie gilt als ehrgeizig, die Programmentwicklung mag sie aber noch nicht beurteilen ■ Von Georg Löwisch
Es war eine Glanznummer: Da trabte der Noch-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Christoph Bergner (CDU), niedergeschlagen ins ZDF-Wahlstudio. Sein Vorsprung vor der SPD machte nicht mal mehr ein halbes Prozent aus, und der Koalitionspartner FDP war soeben aus dem Landtag geflogen. Und dann, dann stand da auf einmal diese Moderatorin, lächelte gewinnend und sprach ausgerechnet Bergner ihre aufrichtigsten Glückwünsche für einen Erfolg aus.
Barbara Groth grübelt, sucht, diesen Abend im Juni 1994 zu erinnern. Ja, da habe es „Diskussionen“ gegeben, wie denn das zu bewerten wäre, wo doch die CDU immerhin stärkste Partei geblieben sei. Dann überlegt sie noch mal und murmelt etwas von „Irritationen“. Das ist schon ein wenig untertrieben, denn die SPD beschwerte sich und ZDF-Verantwortliche schlugen die Hände über den Köpfen zusammen. Noch heute lästern ZDF-Redakteure rückblickend, die SPD habe damals aus Trotz gegen Barbara Groth das Magdeburger Modell erfunden und sich von der PDS tolerieren lassen. Nach dem Eklat habe niemand gedacht, daß die damalige Innenpolitikchefin irgendwo noch was wird.
Sie ist was geworden. Drei Jahre später war sie Geschäftsführerin des ARD/ZDF-Parlamentskanals Phoenix. Und vorige Woche machten sie die Rundfunkräte beim SFB zur Fernsehdirektorin. Im September will sie das Amt antreten.
Es sind ihr Ehrgeiz und ihre Hartnäckigkeit, die sie vorwärts gebracht haben. Sie arbeitet so lange im Büro, daß es Anfang der 90er, als sie in Berlin für das Regionalfernsehen verantwortlich war, hieß, eigentlich wäre für sie „ein Wohnklo mit eingebauter Dusche im SFB“ am besten. Ihr Führungsstil ist nicht gebieterisch, aber dennoch so energisch, daß klar ist, wer das Sagen hat. „Team ja“, sagt sie dann, „aber nicht bis zum kleinsten gemeinsamen Nenner.“
Als künftige Programmdirektorin beim SFB tritt Groth schon jetzt dafür ein, B1 als letztes der Dritten ARD-Programme auch per Satellit zu verbreiten. „Unbedingt“ und „baldmöglichst“, auch wenn sie einräumt, daß es da ein „Kostenproblem“ gebe. Was im Programm inhaltlich zu tun ist, mag die künftige Chefin noch nicht beurteilen. Sie wolle „zunächst mit den Kollegen sprechen“, sagt sie vorsichtig.
Sie paßt überhaupt besser auf ihre Worte auf als an jenem Abend in Magdeburg. Sagt nichts sonderlich Kluges, aber dafür auch nichts Falsches. Daß sie eine „schöne Aufgabe“ bei Phoenix gegen eine „noch schönere“ beim SFB eintausche. Daß Journalisten ihr Leben lang „Lehrling und Meister“ seien. Und daß sie eine „leidenschaftliche Berlin-Anhängerin“ sei, wegen der Lebhaftigkeit und so: „Phantastisch!“
Als sich die 52jährige, die am liebsten diese adretten Kostüme und feschen Halstücher wie Rita Süssmuth trägt, vor einer Woche im Rundfunkrat vorstellte, zählte neben der bisherigen Karriere und dem Ehrgeiz vor allem ihre eindeutige politische Haltung: „Daß ich der CDU nahestehe, kann man daran sehen, daß ich ein CDU-Parteibuch habe“.
Ursprünglich hatte SFB-Intendant Horst Schättle seinen Kollegen Ulrich Anschütz zum Fernsehdirektor machen wollen. Doch Anschütz ist SPD-Mann. Da protestierten die konservativen Rundfunkräte, schließlich hätten sie doch schon mit Schättle einen SPDler als Nachfolger für den bisherigen und CDU-treuen Intendanten Günther von Lojewski akzeptiert. Das habe bereits einen „Sturm der Entrüstung“ bei der Bundes-CDU ausgelöst, sagte ein konservatives Ratsmitglied, schon wegen der „Arithmetik“ in der ARD-Intendantenrunde. Da könne der Intendant nicht mit einem SPDler ankommen. Der Intendant fügte sich und kam mit einem CDU-Mitglied.
Ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk von den Parteien bestimmt wird? „Sie wissen doch, daß es nie so war“, sagt Barbara Groth im Brustton der Überzeugung, denn niemand werde etwas, weil er in einer Partei ist. „In meinen vielen Sendern habe ich festgestellt: So was gibt es nicht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen