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■ Kommunaler Skandal um selbsternannten „Parkmeister“Zero Tolerance im Günthersburgpark

Bis vor kurzem war der Günthersburgpark in Frankfurt am Main ein beliebtes Ausflugsziel für Jung und Alt, mit schönem Baumbestand, gepflegten Wiesen und einem schmucken Kiosk. Doch im Mai 1998 hat der Kiosk seinen Besitzer gewechselt. Die Kioskgeschäfte führt jetzt Heribert Lenz, ein in Frankfurt bislang nur als „Zeichner“ hervorgetretener Privatier, der im Günthersburgpark binnen kürzester Zeit ein wahres Schreckensregiment errichtet hat.

Im Kiosk gibt es jetzt nur noch minderwertige Bockwurst, überteuertes Flaschenbier und ein salziges Brausegetränk namens „Heriberts Kinder-Drink“ zu kaufen. Um zu verhindern, daß die Kundschaft ihren Durst an billigeren Quellen stillt, hat Herr Lenz die Wasserzufuhr der öffentlichen Toiletten im rückwärtigen Kioskbereiche gesperrt. Begründung: „volkspädagogische Grundsatzerwägungen“.

Die hygienischen Zustände in den seit Wochen ungespülten Schüsseln und Becken schreien zum sprichwörtlichen „Himmel“, doch Beschwerden beim städtischen Gesundheitsamt sind vergebliche Liebesmüh. „Kennen wir, wissen wir“, erwidert man dort auf entsprechende Anfragen, „aber uns sind die Hände gebunden. Herr Lenz hat einflußreiche Freunde auf höchster kommunalpolitischer Ebene.“

Man mag es kaum glauben, wenn man ihn ins Auge faßt: Breitbeinig, halbnackt, teils käsig, teils vom Sonnenbrand entstellt, mit einer Groschenzigarre im Mundwinkel und von feuerroten, vulkankegelartig geformten Mückenstichquaddeln übersät, lagert der massige Mann neben seinem Kiosk, hingeflegelt in einen Gartenstuhl, und beäugt durch einen braunen Reichswehr-Feldstecher das Geschehen auf dem Kinderspielplatz. „Ich komm' euch gleich die Hammelbeine langziehn!“ brüllt Herr Lenz zwischendurch und schüttelt drohend die Fäuste, während die lange Schlange der Kioskgäste nebenan von einem überforderten, nach Insider-Inforamtionen deutlich unter Normaltarif bezahlten Tamilen bedient wird.

Heribert Lenz scheint zu glauben, daß er mit dem Kiosk auch die Befugnis erworben habe, sich als „Parkmeister“ aufzuspielen und willkürlich irgendwelche Strafen zu verhängen. Für Schlagzeilen in der Lokalpresse sorgte seine Maßnahme, ein vierjähriges Mädchen, das sich auf der Wippe angeblich „extra schwer gemacht“ hatte, zum Brennesselpflücken abzukommandieren. In einem besonders krassen Fall soll Heribert Lenz einen Achtjährigen, der ein Kaugummi auf den Weg gespuckt hatte, unter Androhung von Schlägen dazu gezwungen haben, das schmutzige Kaugummiknäuel und darüber hinaus mehrere Handvoll Sand aufzulesen und zu verspeisen. Anhängig sind mehrere Verfahren wegen Körperverletzung und Amtsanmaßung, aber der selbsternannte Parkmeister, darauf angesprochen, patscht sich nur lachend auf den Bauch und gibt sich selbstsicher. „Diese Paragraphenreiter können mich mal kreuzweise. Hier kriegt mich keiner mehr weg!“

Gerüchten zufolge soll Heribert Lenz auch schon dabei beobachtet worden sein, wie er im Schutze der Nacht aus purer Gemeinheit Scherben, Spritzen und Reißbrettstifte in den Sandkastensand mengte. „Außerdem bringt Herr Lenz rechtswidrig Eichhörnchenschlingen im Günthersburgpark an“, berichtet ein Naturschützer, der aus Angst vor Repressalien nicht möchte, daß sein Name genannt wird. „Ich habe selbst gesehen, wie er morgens um sechs mit einem Bündel erdrosselter Eichhörnchen in seiner Wurstküche verschwunden ist. Das müßte man dringend mal untersuchen, was dieser sogenannte Herr Lenz da unter dem Deckmäntelchen der Gastronomie für Schweinereien fabriziert!“

In den Elternhäusern der Umgebung spricht man bereits vom „Heribert-Lenz-Syndrom“, wenn Kinder, von Alpträumen bedrängt, im Schlaf schreien, sich erbrechen, bettnässen und fiebern. Bundesweit publik geworden ist der Skandal vorvergangene Woche durch die Interviews, die ein Privatsender mit Betroffenen geführt hat. Bewirkt hat die Sendung nichts. Am kommenden Sonnabend soll vor dem Kiosk im Günthersburgpark eine von „Terre des hommes“ organisierte Kinderdemonstration stattfinden, mit dem Ziel, die Öffentlichkeit aufzurütteln.

Und was sagt Heribert Lenz dazu? „Dreißig Jahre antiautoritäre Erziehung haben Deutschland kaputtgemacht. Mit meiner Zero- Tolerance-Politik im Günthersburgpark habe ich für das bessere Deutschland ein kleines Areal zurückerobert, in dem Gesetz und Ordnung herrschen. Die Schreihälse, die mich hier wegekeln wollen, können sich gehackt legen. Ich bleibe hier! Es sei denn, daß man mich mit größeren Aufgaben betraut. Im New Yorker Central Park zum Beispiel würde ich gerne einmal als Parkmeister arbeiten. Da würden sie sich aber wundern, die dreckigen Haschbrüder!“

Spricht's – und katapultiert sich jählings aus dem Stuhl, um ein kleines Mädchen hinterrücks am Pferdeschwanz von der Schaukel zu reißen, weil es zu laut gejauchzt hat. Das Mädchen trollt sich heulend heim, während Herr Lenz befriedigt wieder Platz nimmt und sich genießerisch die nächste Bockwurst einverleibt.

Wie lange, fragt man sich da, wird die Stadt Frankfurt/M. die Praktiken des Herrn Lenz noch dulden? Gerhard Henschel

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