Pop ist wie Jesus

■ Die Braut haut ins Auge über Frauen in der Musik und Männer in Trauer

Das ist der Alptraum jeder Band: ein Unfall mit dem Tourbus. Auf dem Weg von einem Auftritt in Wien zum nächsten in Frankfurt stieß Die Braut haut ins Auge genau dieses Unglück zu. Der Bus hatte einen Totalschaden, die Insassen erlitten zum Glück nur leichtere Verletzungen. Der Rest der Tournee mußte abgesagt werden. Inzwischen sind die Musikerinnen wieder gesund und wollen die Auftritte im Herbst nachholen. Wir sprachen mit Bernadette Hengst und Peta Devlin, den beiden Songschreiberinnen der Band, die mit Pop ist tot gerade ihr drittes Album veröffentlicht hat.

taz: Der Titel „Pop ist tot“ ist ja wohl Provokation.

Bernadette Hengst: Ich sag jetzt immer: Pop ist wie Jesus. Er wird auferstehen. Jesus hat's zwar nur einmal geschafft, aber Pop schafft es immer wieder. Der Titel und auch das Lied waren eine Überlegung: Interessiert uns Pop überhaupt noch? Und dann mußte ich dieses Lied schreiben, um erstmal alles in meinem Kopf zu zerstören, um wieder von vorne anfangen zu können. Und natürlich ist es eine Pop-Platte geworden, keine Frage.

So was wie „in drei Minuten ein Leben erzählen“ ist ja ein klassisches Pop-Thema, auch wenn es selten geworden ist.

Bernadette Hengst: Weil es mehr Instrumental-Musik gibt? Aber da hat Pop einfach eine andere Ausdrucksform, einen anderen Weg gesucht. Die Neunziger sind ja geprägt davon, daß etwas für tot erklärt wird, um es dann wieder aufleben zu lassen. Die Neunziger leben von Zitaten, von der Wiederaufbereitung von allem Möglichen. Und das ist diese Platte vielleicht auch.

Wo wir beim eigenen Ausdruck wären. Der hat ja nichts damit zu tun, welche Sprache man benutzt, sondern in welcher Sprache man den richtigen Ausdruck findet.

Peta Devlin: Ich bin ja Engländerin und habe bis jetzt immer englisch gesungen, weil es mir einfach nahe liegt.

Obwohl du in dem Lied „Der Jogger“ „auf gut deutsch: ficken“ sagst. Sehr schön.

Bernadette Hengst: Ja, super.

Als ich „Wenn Du gehst“ zum ersten Mal hörte, habe ich gedacht: „Endlich, Alanis!“

Bernadette Hengst : Alanis Morrissette? Mit dem Lied ist das wirklich komisch. Ich hatte es geschrieben, als mein Freund im Begriff war, mich zu verlassen. Als ich es unserer Plattenfirma vorgespielt habe, dachte ich, scheiße, das ist zu privat. In dem Moment aber, wo es jemand anderes gehört hatte, wurde es zu etwas anderem. Ich glaube, das ist vielleicht auch die Kraft von dem Stück, daß man da durchs Schlüsselloch gucken darf. Und so ist das Lied ja auch, ich singe: „Ich werde nicht auf meine Knie fallen“, da ist eine Menge Stolz dabei. Es geht nicht nur darum, zu singen „Oh Gott, oh Gott, er verläßt mich!“

Peta Devlin : Das Lied sagt: Wenn du gehst, dann wirst du mich zwar zerstören, aber Hauptsache, du entscheidest dich.

Bernadette Hengst: Ich habe an zwei Stücke dabei gedacht, meine absoluten Lieblingsschnulzen, „Tonight I Want You“ von Elvis Costello und „Ne Me Quitte Pas“ von Jacques Brel. Da singen zwei Männer das absolute Gegenteil. Die sind unglaublich zerstört, die würden ihr die Füße küssen, ablecken.

Vielleicht singen Männer das, weil sie es sonst nicht sagen würden.

Peta Devlin : Wahrscheinlich würde die Frau, wenn er auf die Knie fällt, sowieso sagen: „Nee, danke.“

Ohne den Alanis-Vergleich überzustrapazieren: Sängerin und Song werden bei ihr gleichgesetzt, und in der öffentlichen Wahrnehmung wird sie als Frau mit Hang zur Depression gesehen.

Bernadette Hengst : Also, ich finde, die hat ziemliche Kraft. Obwohl, noch mehr schätze ich PJ Harvey. Ich habe schon nächtelang bei mir im Dunkeln gesessen und diese Stücke angehört. Da ist einfach eine untergründige Wut, dem kann man sich nicht entziehen.

Es gibt euch ja nun schon die ganzen Neunziger. Haben sich die Bedingungen für Frauen, die Pop spielen, verändert?

Bernadette Hengst : Ja. Wir haben uns 1990 gegründet, und zur gleichen Zeit habe ich L7 gesehen, Hole, Babes in Toyland , all dieses Zeug. Das kam mir sehr gelegen, daß es das gab. Nur halt nicht in Deutschland. Hier gibt es immer noch kein Netzwerk von Frauen, die miteinander kooperieren. Die wenigen Frauenbands, die es gibt, sind so unterschiedlich, daß wir keine Lust haben, uns mit denen zusammenzutun. Wäre ja noch schöner, nur weil wir Frauen sind.

Interview: Felix Bayer