: Rechte Soße von Bremen aus abrufbar
■ Der Bremer Internet-Anbieter, die „Internationale Stadt“, ließ rechtsradikale Propaganda im Gästebuch seiner Internet-Seiten ohne Zensur stehen / Bremer Staatsanwaltschaft ermittelt
„Man kann den Juden nicht positiv bekämpfen. Er ist ein Negati-vum, und dieses Negativum muß ausradiert werden ... „ So beginnt eine unsägliche, antisemitische Hetztirade, die bis vor wenigen Wochen im Internet zu lesen war – auf den Seiten des Bremer Internet-Unternehmens „Internationale Stadt“ (www.is-bremen.de). Die Bremer Staatsanwaltschaft leitete gestern ein Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt ein. Nun wird gefahndet, wer sich hinter der US-amerikanischen Internet-Adresse des Absenders verbirgt, der die Hetze als „Leserbrief“ geschickt hatte. Auch ob die „Internationale Stadt“ verantwortlich gemacht werden kann, wird nun geprüft.
Mehrere Wochen waren die antisemitischen Anwürfe auf den Seiten der Internationalen Stadt unter der Rubrik „Gästebuch“ zu lesen. In einem kurzen Absatz hatte die Internationale Stadt darauf hingewiesen, daß es sich im folgenden Beitrag um rechtsradikale Propaganda handele. Eine Adresse einer seriösen Internet-Seite wurde angegeben, auf der Materialien zum Thema Holocaust zu finden sind. Erst nach Wochen nahm man den braunen Erguß aus dem Netz, der zwischen unproblematischen Grüßen an die Bremer Internet-Gemeinde zu finden war.
Schon Mitte Mai hatte die SPD-Abgeordnete Cornelia Wiedemeyer den Senat in einer kleinen Anfrage gebeten, zu der Hetzschrift Stellung zu nehmen. Der Entwurf für die Antwort des Senats fiel in den Augen der Abgeordneten so enttäuschend aus, daß sie ihre Frage schon im Vorfeld zurückzog. Dabei ist die nie veröffentlichte Antwort nicht ohne Brisanz: Die Eintragung, die sich im „Gästebuch“ der Internationalen Stadt gefunden hatte, war inzwischen gelöscht. So sah man in der zuständigen Senatsabteilung auch keinen Grund zum Handeln. Allerdings dürfe www.is-bremen.de die rechtsradikale Propaganda nicht einfach so im Netz bereitstellen, sondern hätte sie zensieren müssen. Auch eine Kommentierung, die der Tirade vorweggestellt werde, reiche nicht aus, so der Senat.
Grundlage für die Antwort war §5 Absatz 2 des Teledienstegesetzes (TDG) und §8 des Meldedienste-Staatsvertrages. Unmißverständlich heißt es im TDG, das erst letztes Jahr verabschiedet wurde: „Dienstanbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.“ Im Staatsvertrag wird festgehalten, daß rassistische Angebote unzulässig sind.
Ralf Röber von der Internationalen Stadt räumt ein, daß seine Firma laut Gesetz verpflichtet gewesen wäre, den Inhalt des Gästebuches zu zensieren und damit die Verantwortung trage. Allerdings habe man schnell reagiert als dies klar wurde. Doch es widerspricht Röbers Auffassung von Internet-Offenheit, eine Zensur im Netz vorzunehmen: Er würde die Inhalte wieder veröffentlichen, wenn er dürfte. Allerdings mit klarerem und ausführlicherem Kommentar. Jetzt will er die deutsche Zensur umgehen: Der Provider der Internationalen Stadt soll ins Ausland verlegt werden, wo es weniger strenge Auflagen gibt.
„Was hilft es Verbote auszusprechen?“, so auch Rainer Krause von der Internet-Firma Farm. Technisch könnten solche Verbote schnell umgangen werden. „Bei der Globalisierung von Informationen im Internet ist das Rauslöschen fast sinnlos“, so Krause. Im Herbst ist in Bremen ein großes Symposium zum Thema Zensur im Internet geplant. Christoph Dowe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen