CSU toleriert jede Koalition: Dabeisein ist alles

■ Waigel und Protzner schmieden „punktuelle“ Koalitionen. SPD will lieber verteufelt sein

Bonn (AFP/taz) – Der SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder hat Überlegungen zur Tolerierung einer SPD-Minderheitsregierung durch die CSU belustigt zurückgewiesen. „Die CSU muß sich klar werden, was sie will: uns verteufeln oder dulden“, sagte Schröder gestern im ZDF. Er reagierte damit auf das Angebot von CSU- Chef Theo Waigel, der in einem Zeitungsinterview die „punktuelle Tolerierung“ einer SPD-Regierung nicht ausgeschlossen hatte. Grundsätzlich werde die SPD aber „nicht toleriert, sondern bekämpft“, setzt Waigel das christsoziale Verwirrspiel vom vergangenenen Wochenende fort.

Der CSU-Generalsekretär Bernd Protzner, der die Tolerierungsdebatte ausgelöst hatte, mußte gestern zunächst auf Geheiß seines Vorsitzenden Waigel zurückrudern. Protzner sagte, seine in den eigenen Reihen heftig kritisierten Spekulationen über eine Tolerierung Schröders seien ein Fehler gewesen. Dann aber sprach Waigel selbst von „punktuellen Tolerierungen bei einzelnen Haushaltsfragen“.

Der SPD-Kanzlerkandidat, der auch nach jüngsten Umfragen in der Wählergunst vorn liegt, sagte dazu: „Man toleriert keine stabile Regierung, und es wird eine stabile SPD-Regierung geben.“ SPD- Chef Oskar Lafontaine ergänzte bei einer SPD-Veranstaltung in Berlin, er hätte nicht soviel Toleranz von der CSU erwartet. „Deutschland wandelt sich tatsächlich.“ Die SPD wolle aber eine stabile Regierung in Bonn, keine Tolerierung durch die CSU. „Dafür kämpfen wir bis zum Umfallen.“

Der Deutschen Welle sagte Protzner zu seinen strittigen Äußerungen, er habe auf eine spekulative Frage eine spekulative Antwort gegeben, „und diese Antwort zu geben ist in einem Wahlkampf offenkundig falsch“. Wenn Aussagen aus dem Zusammenhang gerissen würden, mache es keinen Sinn, solche zu tätigen. „In diesem Sinne würde ich sie auch nicht wiederholen“, sagte der Generalsekretär. Im Mitteldeutschen Rundfunk erläuterte Protzner, die CSU kämpfe „für eine Mehrheit für die Union und mit der FDP“.

FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms bezeichnete Protzners Äußerungen im Südwestfunk als „eine Spekulation, die wirklich zur Unzeit angestellt wird“. Protzners Aussagen über eine Tolerierung seien, so meinte Solms richtig und doch falsch, „vom CSU-Vorsitzenden und anderen führenden CSU- Politikern umgehend widerlegt worden“. Solms lehnte Spekulationen über andere Regierungskonstellationen als die bestehende Koalition ab: Die FDP habe bei ihrem Parteitag in Leipzig eine Koalitionsaussage zugunsten der Union beschlossen.