: Polizeigesetz kennt keine Stefans
Hamburger Datenschutzbeauftragter kritisiert Innenbehörde: Einsatz eines verdeckten Ermittlers in linken Kreisen war unrechtmäßig ■ Von Elke Spanner
In Hamburg darf es keine „Stefans“ mehr geben. Mit erhobenem Zeigefinger warnte der Datenschutzbeauftragte Hans-Hermann Schrader gestern die Innenbehörde. Denn der Einsatz „verdeckter Ermittler“ wie des im Herbst zufällig enttarnten „Stefan“ ist verboten. In Zukunft dürfe der Staatsschutz zwar BeamtInnen mit falscher Identität auf politische Zusammenhänge ansetzen – jedoch nur um „Lageberichte“ zu erstellen, nicht aber Namen oder sonstige „personenbezogenen Daten“ über politische AktivistInnen weiterzuleiten.
„Stefan“ hatte zwei Jahre lang mit falscher Legende in der „Glasmoorgruppe“ und dem Bündnis zum Lübecker Brandanschlag gearbeitet. In seinen Protokollen hatte er auch Namen einzelner AktivistInnen genannt. Diese Unterlagen, so Schrader, müßten vernichtet werden.
Ob und wieviele verdeckte Ermittler noch in politischen Szenen Milieurecherche betreiben, verriet Innenbehördensprecher Christoph Holstein gestern nicht. Einer förmlichen Beanstandung der bisherigen Praxis entzieht sich die Innenbehörde, indem sie ein neues Konzept erarbeiten will. „Die Dienstanweisungen werden geändert“, versprach Holstein.
Was jedoch nicht etwa heißt, daß sich die Staatsschützer irgend eines Unrechts bewußt wären. „Wir trennen weiterhin zwischen verdeckten Ermittlern und verdeckten Aufklärern“, erklärt Holstein. Mit diesem Trick hatte die Innenbehörde die Hürde überwunden, daß das Polizeigesetz keine „Stefans“ kennt. Denn nur vom verdeckten Ermittler ist im „Gesetz über die Datenverarbeitung bei der Polizei“ die Rede. Und der darf sich nur unters Volk mischen, soweit es der „vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung in der Form der Organisierten Kriminalität“ dient.
Daß das Engagement in Flüchtlingsinitiativen mit Organisisierter Kriminalität wenig gemein hat, erkannte auch die Polizei. Statt „Stefan“ aber deshalb in Uniform zur Arbeit zu schicken, definierte sie ihn schlicht zum verdeckten „Aufklärer“ um. Die GAL hatte Mitte Juni ein Rechtsgutachten präsentiert, in dem dieser Einsatz für unzulässig erklärt wurde.
Datenschutzrechtliche Mißstände kritisierte Schrader nicht nur bei der Innenbehörde. Auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung in Hamburg ging er hart ins Gebet. Die weigere sich seit einem Jahr, den PatientInnen zum Quartalsende mitzuteilen, welche Leistungen ihre behandelnden ÄrztInnen in Rechnung gestellt haben. Dazu sei sie jedoch gesetzlich verpflichtet. Die KV hält dagegen, die Unterrichtungspflicht sei aufgrund des Abrechensystems nicht erfüllbar und damit gegenstandslos.
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