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Kein Gift und kein Gezänk

■ Herbie Hancock mit den reformierten Headhunters in der Fabrik

Was konservative Kritiker vor 25 Jahren bei Herbie Hancock argwöhnisch orteten, war das Hitpotential: Den Puristen tat es in der Seele weh, als ihre Musik wieder einmal heftig mit Rhythm'n'Blues und vor allem mit schmutzigem Funk fusionierte, plötzlich wildfremden Discogängern mächtig in die Beine fuhr und den Beweis erbrachte, daß Jazz durchaus eine gemeingefährliche Angelegenheit sein kann. Wie zur Bestätigung enterten die Headhunters damals die Charts, und Hancocks späteren Versuchsballons waren ähnlich polarisierende Höhenflüge beschieden.

Vergeben war alles, vergessen war nichts, als der 58jährige am Dienstag mit seiner fast vollzähligen alten Kopfjägerriege die proppenvolle Fabrik im Sturm einnahm: Die ersten drei Nummern immerhin kamen so vehement über die Rampe, daß das zahlreich vertretene Jungvolk zunächst recht bange aus der sportlichen Wäsche guckte. Doch mit den paar blitzsauberen Balladen, einigen solistischen Intros vom Percussionisten Bill Summers und der stets monotoner werdenden Dreschflegelarbeit von Mike Clark gewann das Programm immer mehr (neu)modische Verträglichkeit – um den Preis, eben jene Gemeingefährlichkeit aus den Siebzigern einzubüßen.

Im Zirpen und Blubbern via Clavinet, Vocoder & Co. – einst wie Sounds aus der Weltraumforschung anmutend – vermißte man die giftige Tücke, auch das Gezänk mit den Afro- und Latin-Beats oder die Unberechenbarkeit in den Duellen mit Saxophonist Bennie Maupin und Bassist Paul Jackson. Statt dessen untadelige Wertarbeit mit entsprechender Wirkung: Die Headhunters live im Hier & Jetzt, das ist ein Abenteuer der eher niedlichen Art. Ein Arbeitssieg aber, der über die Kennmelodien von „Watermelon Man“, „Chameleon“ undsoweiter gebührend abgefeiert werden kann, schaut natürlich allemal dabei heraus. Andreas Schäfler

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