piwik no script img

Zufällige, beabsichtigte Treffen mit der UCK

In Washington hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, daß mit der Kosovo-Befreiungsarmee verhandelt werden muß. Die EU ist noch uneins und wird zudem von ihren Forderungen gegenüber Belgrad abrücken  ■ Von Andreas Zumach

New York (taz) – „Die Kosovo- Befreiungarmee (UCK) muß an Verhandlungen über die Zukunft der südserbischen Provinz beteiligt werden, denn sie kontrolliert große Teile des Territoriums und ist auf Grund ihrer Stärke eine wichtige politische Kraft.“ Ein hoher Beamter des State Department in Washington bekräftigte am Dienstag abend die neue Linie der Clinton-Administration im Kosovo-Konflikt. Ihr Balkanvermittler Robert Gelbard sowie dessen Vorgänger, der designierte UNO-Botschafter Richard Holbrooke, hatten die neue Linie in den letzten Tagen durch Treffen mit Vertretern der UCK vorgezeichnet.

Nach eigenen Angaben kontrolliert die UCK knapp 40 Prozent des Kosovo-Territoriums und verfügt über 30.000 ausgebildete Kämpfer. Auch wenn es nur 15.000 sein sollten – wovon die meisten internationalen Beobachter bislang ausgehen – und trotz ihrer Niederlage im Kampf um eine Kohlenmine, ist die UCK zum wichtigsten Faktor für eine politische Lösung des Kosovo-Konflikts geworden.

Diese Entwicklung war seit längerem absehbar und wurde seit Anfang des Jahres in Artikeln von Balkankorrespondenten sowie in internen Berichten westlicher Botschaften in Belgrad angekündigt. Dennoch haben die USA zu ihrer neuen Linie erst unter dem Druck der militärischen Eskalation der letzten Wochen gefunden. Noch Ende Februar tat Gelbard – seit zwei Jahren Washingtons führender Balkandiplomat – die UCK als „terroristische Organisation“ ohne Bedeutung ab.

In Washington, wie auch in den EU-Hauptstädten, wurde allzu lang der Einschätzung des Albanerführers Ibrahim Rugova vertraut, der die UCK noch Mitte Mai als „Kreation der serbischen Sicherheitskräfte“ bezeichnete.

Die neue Sicht der Dinge in Washington ist keineswegs gleichbedeutend mit einem klaren Konzept für die weitere Kosovo-Diplomatie. Darauf läßt zum einen schließen, wie Holbrookes Begegnungen mit UCK-Vertretern in der letzten Woche vom State Department zunächst als „rein zufällig“ verkauft wurden. Zum anderen gibt es derzeit offensichtlich nicht einmal zwischen Holbrooke und Gelbard eine Abstimmung ihrer öffentlichen Äußerungen.

Nach Darstellung des State-Department-Beamten hatte Gelbard am letzten Wochenende „mehrere Begegnungen“ mit UCK-Vertretern. Diese hätten sich als Mitglieder der UCK-Kommandostruktur identifiziert und dem US-Vermittler die Erfüllung von zwei Bedingungen für die Teilnahme der UCK an Verhandlungen zugesagt: die „Absage an den Terrorismus“ und die „politische Unterordnung unter Rugova“. Am gleichen Tag erklärte Holbrooke jedoch, die UCK sei eine „amorphe Gruppe“ mit völlig unklaren Kommandostrukturen. Man wisse „im Kosovo nie, wer wen kontrolliert“. Darüber hinaus ist offen, ob die USA überhaupt in der Position sind, der UCK Bedingungen zu stellen.

Dieses konfuse Erscheinungsbild der US-Diplomatie ist nicht dazu angetan, die Skepsis innerhalb der EU gegen Gespräche mit der UCK und ihre Beteiligung an Verhandlungen zu verringern. Am deutlichsten wurde diese Skepsis von Österreichs Außenminister Wolfgang Schüssel formuliert. Schüssel erklärte, „Partner der EU“ sei nicht die UCK, sondern Rugova, und dieser dürfe „nicht geschwächt werden“. Aus Bonn wird hingegen vorsichtige Unterstützung für die neue Linie der USA signalisiert. So sprach sich Bundesaußenminister Klaus Kinkel gestern dafür aus, die UCK in Gespräche zur Lösung des Konfliktes mit einzubeziehen.

Der lachende Dritte heißt vorläufig weiter Slobodan Milošević. Unbeeindruckt von der Ankündigung neuer Sanktionen und militärischer Muskelspiele der Nato, läßt er seine „Sicherheitskräfte“ ihr Zerstörungswerk fortsetzen und schafft Fakten für Verhandlungen über die territoriale Aufteilung des Kosovo. Die Balkan-Kontaktgruppe und die EU werden darauf kommende Woche voraussichtlich mit einer Aufweichung ihrer Forderungen an Belgrad reagieren. Nach Angaben westlicher Diplomaten soll die Forderung nach sofortigem und bedingungslosem Rückzug serbischer „Sicherheitskräfte“ aufgegeben und nur noch die Vereinbarung eines international überwachten Waffenstillstandes verlangt werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen