: Stasi bringt PDS und SPD auseinander
■ In Sachsen-Anhalt wird die frühere IM-Tätigkeit einer PDS-Abgeordneten zur Belastungsprobe für das rosarote Verhältnis
Magdeburg (taz) – „Ja“, gesteht Petra Sitte, die Chefin in der PDS- Fraktion im sachsen-anhaltischen Landtag nach längerem Gespräch ein, „ja, irgendwie kann ich Ihre Bauchschmerzen verstehen.“ Ausgerechnet mit der stasibelasteten Abgeordneten Gudrun Tiedge, zu DDR-Zeiten über zehn Jahre als Jugend-Staatsanwältin tätig, hat die PDS den ihr zugefallenen Vorsitz des Landtagsausschusses Recht und Verfassung besetzt. „Aber sie betrachtet ihre frühere Tätigkeit heute selbst als Fehler“, argumentiert Sitte. Der CDU, die seit Bekanntwerden der Personalie aus vollen Rohren schießt, ist das egal. Und auch das Verhältnis zur SPD, die die von der PDS tolerierte Minderheitsregierung stellt, ist neuen Spannungen ausgesetzt.
Die 44jährige Tiedge hatte ihre Stasi-Mitarbeit bereits vor der Wahl zugegeben. Als Abiturientin habe sie „allgemeine Berichte über die Situation in der Schule und der Klasse“ geschrieben, habe dies als legitimen Dienst an ihrem sozialistischen Staat betrachtet. Heute sehe sie es als großen Fehler an. Im übrigen sei die Zusammenarbeit nach wenigen Jahren von der Stasi beendet worden, man habe sie als unzuverlässig eingestuft. Für die CDU-Fraktion hingegen ist Tiedge „untragbar“. Mit einem Abwahlantrag, zu dem man aber neben den SPD-Stimmen auch die Unterstützung der DVU bräuchte, will die CDU die PDS-Frau kippen.
Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Rüdiger Fikentscher, sagt, die „derzeitige Situation kann so nicht hingenommen werden“. Vor einem Abwahlantrag müsse man aber genau wissen, was war. Am Dienstag beschloß die SPD deshalb, wie in den ersten beiden Legislaturperioden einen Sonderausschuß zur Stasi-Überprüfung aller Abgeordneten zu beantragen. Als erstes solle der sich mit dem Fall Tiedge befassen.
Die PDS lehnt solche Ausschüsse generell ab. Fraktionschefin Sitte hatte am Dienstag noch versucht, der SPD einen Kompromißvorschlag schmackhaft zu machen. Der Landtagspräsident solle bei der Gauck-Behörde Tiedges Stasi-Akten anfordern und dann eine Wertung abgeben. Außerdem erklärte die umstrittene Abgeordnete, sie werde ihren Vorsitz vorerst ruhen lassen. Doch die Verstimmung in der SPD-Fraktion war zu groß. Es sei mit der PDS „immer wieder dasselbe Gegaukel“, es werde immer nur so viel zugegeben, wie ohnehin bekannt ist, nur „stückchenweise sickern die Dinge“ durch, hieß es.
In den vergangenen Tagen waren weitere Vorwürfe laut geworden. Bei der Gauck-Behörde lägen Akten, die bewiesen, daß Tiedge noch lange nach ihrer Schulzeit als IM tätig war. Außerdem habe sie alle ihre Kontakte verschwiegen, als sie als DDR-Staatsanwältin 1990 die Übernahme in den bundesdeutschen öffentlichen Dienst beantragte. Das Justizministerium, das Tiedge 1991 kurz nach der Verbeamtung entlassen hatte, gab dazu keine Stellungnahme ab.
Die PDS steht nach wie vor hinter Tiedge. Die SPD dagegen will das Ergebnis des Sonderausschusses abwarten. Wenn sich die Vorwürfe „als hinreichend belastend herausstellen“, werde man „gegebenenfalls“ den Abwahlantrag der CDU unterstützen. Bis jetzt, so Fraktionschef Fikentscher, sei die Sache „ein relativ harmloser Fall“. Es könne ja nicht sein, „daß jemand lebenslang für eine Verfehlung in der Jugend büßen muß“. Toralf Staud
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