piwik no script img

Wider die Orgie in Beton und Asphalt

Stadtplanung in Bergedorf ohne Geld und ohne Konzept. Eine Initiative will nun verhindern, daß die Neuplanung des Bahnhofsvorplatzes zu einem weiteren Desaster wird  ■ Von Heike Haarhoff

Der Bahnhofsvorplatz in Bergedorf soll umgestaltet werden. Vor drei Jahren faßte das Bezirksparlament den Beschluß, das architektonische Relikt aus den 50er Jahren mit seinen Waschbetongebäuden und dem unattraktiven Omnibusbahnhof in einen repräsentativen Platz zu verwandeln, geeignet als Visitenkarte des 110.000-Einwohner-Bezirks im Osten Hamburgs, einer Stadt in der Stadt. Im Herbst soll das Konzept vorliegen.

Das Problem: Kaum jemand kennt die bisherigen Entwürfe. Es handelt sich um eine reine Investoren-Planung unter weitestgehendem Ausschluß der Öffentlichkeit. Etwas anderes sei eben nicht drin, klagt der Bezirk. Sein Problem: Weil er kein Geld für die Planung hat, macht er sich von Investoren abhängig und riskiert städtebaulich Schauerliches. Am Dienstag hat sich deswegen die „Bürgerinitiative Bahnhofsvorplatz Bergedorf“ gegründet.

Hartmut Falkenberg kann es einem so richtig vermiesen. Dabei hatte der 43jährige Bergedorfer, im örtlichen Kulturzentrum Lola für Stadtteil-Vernetzung zuständig, am Dienstag bloß zum Dia-Abend eingeladen, „an dessen Ende wir die BBB, die Bürgerinitiative Bahnhofsvorplatz Bergedorf, gründen wollen“. Doch jetzt zaubert er per Knopfdruck städtebaulich Erschütterndes aus vier Jahrzehnten an die Wand, klick, klick, klack. Der ganze Weg, den Falkenbergs rund 30 Gäste auf ihrem Hinweg ab dem Bergedorfer Bahnhof bereits zu Fuß zurückgelegt haben, wird ihnen erneut vor Augen gehalten.

Da ist zunächst das Panorama des Bahnhofsvorplatzes, eine graue Asphaltwüste, durch die Omnibusse nach undurchschaubaren Regeln Slalom fahren; Bergedorfs Busbahnhof ist der zweitgrößte in Hamburg. Links daneben ragt ein imposantes Gebäude empor, mit dem sich das Mittelzentrum mit 110.000 Einwohnern Besuchern präsentiert: das City-Center-Bergedorf-Parkhaus. An einer der Parketagen vorbei führt eine dunkelbraune Fußgängerbrücke scheinbar ins Nichts, und Hartmut Falkenberg sagt, „daß etwas passieren muß“.

Denn es gibt nicht einmal Wegweiser, die auf auf die unweite historische Altstadt mit ihren Gassen und schmucken Gebäuden aufmerksam machen. Statt dessen lauert jenseits des Bahnhofsvorplatzes die nächste Hürde, die vierspurige Bundesstraße 5. Sie zerschneidet das einstmals beschauliche Bergedorf seit den 50er Jahren. Das nahe Serrahn-Ufer ist wegen der Straße für Spaziergänger unzugänglich.

Daß städtebaulich etwas passieren muß, wissen auch Bezirkspolitiker und –verwaltung. Schon vor drei Jahren beschlossen sie, den Bahnhofsvorplatz attraktiver zu gestalten. „Wir haben zwar eine pittoreske Einkaufszone, und dennoch schwindet die Kaufkraftbindung. Was fehlt, sind Elektronikfachmärkte, ein Kino, ein Schwimmbad“, klagt Baudezernent Jochen Hinz.

Diese „kommerziellen Anziehungspunkte“ will er nun am Bahnhofsvorplatz ansiedeln, und zwar „städtebaulich behutsam“, was immer das heißen mag. In jedem Fall müsse „eine Verbindung“ zur Einkaufszone geschaffen werden, vielleicht könne man das häßliche CCB-Parkhaus abreißen und, um Fläche für „Freizeit- und Kulturangebote“ zu gewinnen, den kompletten Busbahnhof auf stillgelegte Gleise im Bahnhof verlegen. Eine andere Möglichkeit wäre, die Busflächen „auszuknautschen“, effizienter zu nutzen, um so Raum für Neubauten zu gewinnen. Eine städtebauliche Herausforderung also an zentraler Stelle, die in jeder anderen Stadt eine Flut von Gestaltungs-, Nutzungs- und Architekturwettbewerben nach sich ziehen würde, in jedem Fall aber öffentliche Diskussionen.

„Die aber haben hier nicht stattgefunden“, behauptet Falkenberg, „keiner hat uns auch nur irgendwie über die Pläne informiert.“ Viele seiner Gäste nicken empört. Sie wollen sich nun wehren, sich einmischen, notfalls eine Gegenplanung entwickeln – die BBB ist wild entschlossen und hat doch nichts in der Hand, wogegen sie sich auflehnen könnte: Selbst die groben Planungen sind nicht öffentlich.

Unvorstellbar auch das, andernorts jedenfalls. Doch Bergedorf ist ein Bezirk, einer von sieben in Hamburg, „und wir haben kein Geld“, zuckt Baudezernent Hinz die Schultern. Deswegen habe er, anstatt eine Bedarfsuntersuchung in Auftrag zu geben oder selbst Bauvorgaben zu entwickeln, „für die sich dann doch keine Bauherren finden“, zehn private Investoren um ihre „Vorstellungen“ gebeten. Drei hätten in diesem Frühjahr der engeren Wahl standgehalten, und bis zum Herbst wolle man „zusammen mit der Politik engere Vorgaben zur Gestaltung entwickeln“, sich dann aber doch auf ein Investoren-Konzept einigen.

„Wir sind darauf angewiesen, es geht um dreistellige Millionenbeträge“, sagt Hinz. Und Werner Omniczynski, Fraktionsvorsitzender der SPD in Bergedorf, nimmt schon während der Versammlung am Dienstag vorweg, was der Stadtplanungsausschuß einen Tag später tatsächlich beschließen wird: „Es wird einen Architektenwettbewerb geben, und die überarbeiteten Vorschläge präsentieren wir Ende August auch der Öffentlichkeit.“

Doch die bleibt mißtrauisch. Alfred Dreckmann, der das Museum für Bergedorf und die Vierlande leitet, warnt, „erneut unter dem Druck der Ökonomie zu bauen“. Denn: „Noch eine B 5 werden wir uns nicht leisten.“ Manche befürchten „Stahl- und Betonriesen“, die sich vor dem Bahnhof „auftürmen“, andere sind sich sicher, daß „das Sachsentor mit Petri- und Pauli-Kirche und dem Schloß zum Hinterhof verkommen würde“.

„Quatsch“, ruft plötzlich der SPD-Kreisvorsitzende Christoph Krupp und steht auf, damit ihn alle sehen können, jeder dürfe sich „artikulieren“, am besten unterstützt von der SPD Bergedorf. Ohnehin sei das alles ein „Mißverständnis“, outet sich jetzt auch Jochen Hinz im Publikum – „ich bin der Baudezernent“. Ernst Heilmann, „ich bin hier der Vertreter der GAL“, fragt, „ob wir jetzt Wahlkampf machen sollen?“ Oder, ergänzt seine Parteikollegin Cornelia Frieß, „ist das hier nicht eher eine Veranstaltung der BI?“

Zwölf Menschen schließlich gründen die Bürgerinitiative Bahnhofsvorplatz Bergedorf, „acht sind parteilos“, verkündet Hartmut Falkenberg. Er klingt überrascht.

BI-Treffen: Mo, 6.7., 19 Uhr, Lola, Lohbrügger Landstr. 8, Tel.: 724 77 35

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen