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Operation gelungen – Patient tot

Aus reinem Klientelinteresse geht Italiens Mitte-links-Regierung gegen das Rote Kreuz vor. Damit wird auch das letzte funktionierende nichtkommerzielle Stück des italienischen Gesundheitssystems zerstört  ■ Aus Rom Werner Raith

Sorella Giovanna, stellvertretende Inspektorin des Roten Kreuzes, mochte ihren Augen nicht trauen: „Ihrem Gesuch auf Ausscheiden aus dem Amt“, teilte ihr ein Schreiben aus der Provinz-Verwaltung des „Croce Rossa Italiana“ (CRI) mit, „ist stattgegeben worden.“ Wütend stellte Schwester Giovanna klar, daß sie „niemals den Antrag auf Ausscheiden gestellt“ habe. „Ach so?“ lautete die Antwort, „dann müssen wir uns wohl vertan haben.“ Frau Giovanna ist bis heute im Dienst. Wie Frau Giovanna – deren Namen wir aufgrund noch schwebender Verfahren geändert haben – werden seit gut drei Jahren in Italien reihenweise Mitglieder des Roten Kreuzes schikaniert, werden gutfunktionierende Service- Einrichtungen des CRI auf Null gebracht, tobt ein erbitterter politischer Grabenkrieg.

Neuester „Erfolg“ des hausinternen Chaos: die bisher in vielen Orten, speziell auf dem Lande, reibungslos und schnell funktionierende kostenlose Beratung durch Allgemein- und Spezial-Mediziner des Roten Kreuzes wird de facto eingestellt. Die Leute sollen sich künftig beim örtlichen Gesundheitsamt um einen Termin bemühen. Das aber kann dauern. Als zum Beispiel die Frau des taz-Korrespondenten nach einem Nasenbeinbruch die Einweisung zur Operation erbat, wurde ihr „frühestens in zwei Wochen“ ein Termin beim HNO-Arzt in Aussicht gestellt; beim CRI betrugen die Wartezeiten meist nur Stunden – und dies, obwohl die Ärzte und Krankenschwestern hier durchwegs auf ehrenamtlicher Basis arbeiten. Daß damit nun auch Schluß sein soll, ist dem emsigen Wirken der aktuellen Mitte-links-Regierung zuzuschreiben. Das Rote Kreuz ist der Linken Italiens seit langem ein Dorn im Auge.

Offizieller Grund dafür ist, daß das CRI zu einem Gutteil – darunter das 15.000 Frauen zählende Schwesternkorps – dem Militär unterstellt ist und aus diesem Verbund herausgelöst werden soll. Vor allem aber gilt das Rote Kreuz als stockkonservativer Haufen, den die Linke gern zugunsten anderer Organisationen wie der Caritas dezimieren würde. Die ist zwar schlechter organisiert und nicht halb so effizient, steht der aktuellen Regierung aber näher.

Den Beginn der Feindseligkeiten gegen das Rote Kreuz markiert ein Gesetz aus dem Jahre 1978: Damals unterstützte die KP zeitweise die Christdemokraten – und als Voraussetzung dafür hatte sie unter anderem auch die „Entmilitarisierung“ des Roten Kreuzes gefordert. Von dieser Reform wurden jedoch nur die Privatisierung der Rotkreuz-Hospitäler und -Altenheime realisiert. 1995, als die Technokraten-Regierung des Lamberto Dini sich auf eine Allianz mit der Linken stützte, kramte diese den alten Beschluß wieder hervor und zwang die Regierung, die Leitung des Roten Kreuzes zu entmachten und an ihre Stelle einen Sonderkommissar zu setzen.

Besetzt wurde die Stelle mit Mariapia Garavaglia, 48, die aus dem linken Flügel der 1994 aufgelösten Christdemokratischen Partei kommt. Erste wichtige Handlung: die fristlose Amtsenthebung der Generalinspektorin des Roten Kreuzes, Carla Pulcinelli. Da es dafür nicht den geringsten administrativen Grund gab, wurde Frau Pulcinelli von allen verwaltungsgerichtlichen Instanzen wieder in ihr Amt eingesetzt. 1996 trat die Mitte-links-Regierung Prodi an – und die warf die Generalinspektorin auf Druck von Mariapia Garavaglia erneut hinaus. Die Gerichte müssen jetzt erneut entscheiden.

Dabei hätte gerade Kommissarin Garavaglia allen Grund, in Sachen Gesundheitswesen ganz, ganz leise aufzutreten. Ende der 80er Jahre war sie Staatssekretärin im Gesundheitsministerium unter dem Minister Francesco De Lorenzo. Der wurde mittlerweile wegen Bestechlichkeit zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt – wobei der Staatsanwalt ausdrücklich auch die damalige Staatssekretärin als „Frau der Pharmaindustrie“ bezeichnete und ihr vorwarf, sie habe im Zusammenhang mit ministeriellen Entscheidungen „Geld gefordert, Geschenke angenommen, verlangt, daß Hunderte von Exemplaren eines vor ihr verfaßten Buches gekauft wurden und sich ihr Handy samt Rechnungen von einem Unternehmer spendieren lassen“ – Behauptungen, die Garavaglia bis heute nicht hat entkräften können.

1993 stieg sie in der Regierung Ciampi selbst zur Gesundheitsministerin auf – nach Ansicht vieler Ärzte eines der düstersten Jahre für das Sanitärwesen Italiens. In ihre Amtszeit fallen die Beschränkung der Höchstzahl von Patienten pro Arzt (was einen Schwarzmarkt der ärztlichen Behandlung schuf) und der Ausschluß praktischer Ärzte vom Dienst in Kliniken (der aufgrund schwacher öffentlicher Strukturen aber für das wenigstens rudimentäre Funktionieren der Einrichtungen notwendig war).

Erfolg: Wer heute eine einigermaßen sichere ärztliche Versorgung wünscht, muß sich privaten Diensten anschließen. Das Rote Kreuz war die letzte funktionierende kostenlose Alternative zur Kommerzialisierung des Gesundheitswesens.

Kommissarin Garavaglia gibt indessen nicht nach, wie Schwester Giovanna an den Schikanen merkt.

Neuester Versuch: Das Kommissariat hat ihr unvermittelt eine Frau als Vorgesetzte vor die Nase gesetzt, die im Dienstgrad niedriger steht als sie – was nach dem Reglement unzulässig ist.

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