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Klimaforscher: Kiotoer Protokoll reicht nicht aus

■ Experten glauben nicht, daß damit die Erwärmung bereits zu stoppen ist. Sie warnen vor Schlupflöchern im Protokoll: Kahlschlag von Wäldern könne als Klimaschutz ausgegeben werden

Bonn (taz) – Das Kioto-Klimaschutzprotokoll sei noch nicht ausreichend, dies erklärte gestern der Vorsitzende der erste Riege der internationalen Klimaforscher, IPCC-Chef Robert Watson. Drei Tage hatten Wissenschaftler aus 46 Ländern des Beratergremiums der UN zu Klimafragen, dem IPCC, in Bad Münstereifel getagt, ihren dritten Bericht vorzubereiten, der in drei Jahren erscheinen soll.

Das Protokoll von Kioto, für das der zweite IPCC-Bericht die wissenschaftliche Grundlage legte, sei ein wichtiger erster Schritt in die richtige Richtung, befand Robert Watson, der auch Berater der Weltbank in Umweltfragen ist, auf der anschließenden Pressekonferenz.

Die vom IPCC vorausgesagte globale Klimaerwärmung um zwei Grad in den nächsten hundert Jahren mit all ihren Folgen würden damit noch nicht abgewendet. Außerdem lasse es große Schlupflöcher. Doch die Tatsache, daß überhaupt irgendeine Reduktion des Ausstoßes von Treibhausgasen beschlossen wurde, hat Watsons Erwartungen an Kioto übertroffen. Sie werde der Anstoß für neue technische Entwicklungen in Richtung Energieeinsparung und erneuerbare Energien sein, hofft er.

Damit dies tatsächlich eintritt, soll ein neuer, in Vorbereitung befindlicher „Special Report“ des IPCC eines der großen Schlupflöcher von Kioto stopfen helfen. Denn das Protokoll sieht bekanntlich vor: die Staaten können ihre Verpflichtungen nicht nur erfüllen, indem sie weniger Treibhausgase produzieren. Auch wenn sie sogenannte CO2-Senken schaffen – Wälder, die Kohlendioxid binden – wird ihnen dies gutgeschrieben. Was aber ist ein Wald? Und was ist Aufforstung? Folgt man einer gängigen Definition, nach der eine Waldfläche zu mindestens zehn Prozent von Baumkronen überdeckt sein muß, handelt sich keine Strafe ein, wer aus einem dichten Wald neun von zehn Bäumen fällt. Und wer so viele Bäume pflanzt, daß die Bedeckung von neun auf elf Prozent steigt, hätte demzufolge einen Wald geschaffen. Viele Umweltorganisationen befürchten, so Watson, daß mit solchen Tricks gemogelt werden wird. Der für Ende 2000 erwartete Spezialreport zum Thema Landnutzung soll die Konsequenzen solchen Verhaltens für das Klima aufzeigen.

Immer wiederkehrende Berichte über Druck der Politik auf die Klimaforscher wollte keiner der IPCC-Vertreter kommentieren. Sicher, räumte der Meteorologe Ulrich Cubasch vom Deutschen Klimarechenzentrum ein: Als es endlich soweit war, daß die Meteorologen genügend Meßdaten gesammelt hatten und die Entwickler von Klimamodellen zu brauchbaren Berechnungen in der Lage waren, habe es plötzlich keine Fördermittel mehr gegeben, um diese auch durchzuführen. Ob dies aber politische oder nur finanzielle Gründe hatte, wisse er nicht. rsw

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