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Behindertenfeindliche Prioritäten

■ Auch nach Grundsanierung von U-Bahnhöfen fehlen Aufzüge

Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) ignoriert die von Senat und Parlament aufgestellten Leitlinien für eine behindertengerechte Stadt: Der Umsteige- U-Bahnhof Hallesches Tor erhält trotz Grundsanierung keine behinderten- und kinderwagengerechten Aufzüge. Auch die Stationen der Linie 6 – Scharnweber-, Seidel- und Holzhauserstraße – sollen keine Aufzüge bekommen, obwohl dort gestern mit der Grundsanierung begonnen wurde. BVG- Sprecher Klaus Watzlak begründet dies damit, daß die zuständige Verwaltung keine Gelder bereitstelle. Rund 1,2 Millionen Mark wären pro Aufzug fällig.

In den Leitlinien für eine behindertengerechte Stadt ist aber vorgeschrieben: „Alle neuen U-Bahnhöfe müssen grundsätzlich so gebaut werden, daß sie und die zugehörigen Einrichtungen von Menschen mit Behinderung ohne fremde Hilfe genutzt und erreicht werden können.“ Dies gelte auch, heißt es weiter, bei Grundsanierung und Umbau der Stationen.

Gesundheitssenatorin Beate Hübner (CDU), hatte noch im vergangenen Monat im Abgeordnetenhaus beteuert, sie werde sich für die Finanzierung von Aufzügen für die Linie 6 einsetzen. Hübner hatte zuvor mit der BVG und Behindertenverbänden eine Liste erstellt, an welchen Stationen Aufzüge am wichtigsten sind. Das Hallesche Tor stand auf dieser Prioritätenliste ganz oben. Dort sei aber ein behindertengerechter Umbau technisch unmöglich, so die Sprecherin der Verkehrsverwaltung, Petra Reetz. Ansonsten rechtfertigte sie die fehlenden Aufzüge mit knappen Finanzmitteln.

Für Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der bündnisgrünen Fraktion, liegt die Ursache in der „falschen Prioritätensetzung“ im Hause Klemanns. Der Senator wolle mehr als eine Milliarde Mark für die Eigenheimförderung in den kommenden zwei Jahren ausgeben. Gleichzeitig stellte Klemanns Verwaltung schon für die umgebauten Stationen Ernst-Reuter-Platz, Karl- Marx-Allee und Potsdamer Platz keine Gelder für Aufzüge bereit. Fakt ist aber auch: Die Verkehrsverwaltung hat weniger Geld zur Verfügung im Bereich öffentlicher Nahverkehr, aus dem behindertengerechte Bauleistungen bezahlt werden. Finanzsenatorin Annette Fugmann-Heesing will hier im kommenden Jahr gut 20 Millionen Mark einsparen.

Rund 20 Prozent aller BVG- NutzerInnen sind laut Cramer auf Aufzüge angewiesen, neben Rollstuhlfahrern auch Alte, Eltern mit Kinderwagen, Fahrradnutzer und Reisende mit viel Gepäck. Bislang ist erst ein gutes Viertel Prozent aller 168 U-Bahnhöfe Berlins mit Aufzügen ausgestattet. Peter Sennekamp

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