: Jörg Haider bekommt endlich eine anständige Partei
■ Österreichs rechte FPÖ stärkt ihren Führer und verspricht Einhaltung von Wahlversprechen
Wien (AFP) – Auf einem der „Anständigkeit“ gewidmeten Sonderparteitag hat sich der Chef der rechtspopulistischen Freiheitlichen in Österreich, Jörg Haider, eine weitreichende Ausweitung seiner Macht absegnen lassen. Die Abgeordneten billigten am Samstag, daß ihr Vorsitzender künftig das letzte Wort bei der Kandidatenaufstellung bei Wahlen zum österreichischen und zum Europaparlament hat.
Die FPÖ wolle sich „zur Anständigkeit verpflichten“, sagte Haider vor den in Linz versammelten Delegierten. Hintergrund für diese Erklärung ist die Affäre um den mutmaßlichen Millionenbetrüger Peter Rosenstingl. Der ehemalige Abgeordnete der FPÖ war Ende April mit der Parteikasse nach Brasilien geflohen, wo er Anfang Juni gefaßt wurde. Die Affäre Rosenstingl sei ein „dunkler Fleck auf der weißen politischen Weste“ der FPÖ, sagte Haider. 94 Prozent der rund 900 Delegierten stimmten zudem für den sogenannten Demokratievertrag, mit dem Abgeordnete auf Einhaltung der Wahlversprechen verklagt werden können. Auf die Einhaltung der Wahlversprechen soll künftig der sogenannte Bürgeranwalt achten, an den sich auch unzufriedene Bürger wenden können. Auf den neugeschaffenen Posten wurde der 77jährige Helmuth Jossek gewählt, ein ehemaliger Bürgerbeauftragter. Parteiinternen Kritikern dieses Vertrages drohte Haider unverhohlen mit dem Rauswurf: „Wer innerhalb des nächsten Monats die Unterschrift nicht leistet, muß sich in einer anderen Gesinnungsgemeinschaft seine Heimat suchen.“
95 Prozent der Delegierten stimmten zudem dem Antrag auf die „gläserne Parteikasse“ zu. Danach sollen die Finanzen der wichtigsten Parteiorganisationen regelmäßig offengelegt und von unabhängigen Gremien kontrolliert werden.
Andere österreichische Parteien kritisierten die FPÖ-Beschlüsse. Der Generalsekretär der konservativen ÖVP, Othmar Karas, warf Haider vor, nach dem „Knebelungsprinzip“ zu arbeiten. Der Bundesgeschäftsführer der sozialdemokratischen SPÖ, Andreas Rudas, sprach von einem „wehleidigen Rundumschlag“ Haiders. Ein Vertreter des Liberalen Forums bezeichnete den Demokratievertrag als „letzten Schritt auf dem langen Weg zu einer totalitären Führerpartei“.
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