: Senegal sucht Ausweg aus dem Krieg
■ Der Bürgerkrieg in Guinea-Bissau treibt Hunderttausende in die Flucht. Senegals Eingreiftruppe wird immer tiefer hineingezogen
Berlin (taz) – Das westafrikanische Guinea-Bissau versinkt im Bürgerkrieg. Einen Monat nach Beginn der Rebellion des Armeechefs Ansoumane Mané gegen Staatspräsident Nino Vieira ist das Land faktisch zweigeteilt. Die Mehrheit der bissauischen Armee steht hinter ihrem Chef Mané, der vom gewählten, aber mittlerweile unpopulären Präsidenten Vieira entlassen wurde und diesen nun stürzen will. Die Rebellen beherrschen die Region zwischen der Hauptstadt Bissau und der Grenze zu Senegal und kämpfen gegen mehrere tausend Interventionstruppen aus Senegal und Guinea, die den Großteil der Hauptstadt sowie den Osten des Landes beherrschen.
Die umkämpfte Hauptstadt Bissau ist verwüstet und größtenteils von ihren Bewohnern verlassen. Insgesamt hat der Bürgerkrieg 250.000 bis 300.000 Flüchtlinge produziert – in einem Land mit 1,1 Millionen Einwohnern. Sie versuchen, ins reichere Nachbarland Senegal zu gelangen, aber Senegal hat die Grenze geschlossen. Statt dessen landen sie in überforderten Regenwalddörfern. „Es werden immer mehr“, sagt Alberto Balde, Präfekt des Ortes Pirada, gegenüber der senegalesischen Zeitung Sud Quotidien. „Männer, Frauen und Kinder ohne alles, sogar in Lumpen gekleidet, kommen aus Bissau zu uns. Die Familien teilen alles mit ihnen. Die Bevölkerung Piradas, das etwa 1.000 Einwohner hatte, hat sich versechsfacht.“
Während Baldo die Hilfsbereitschaft der senegalesischen Truppen lobt, berichtet die Hilfsorganisation „Caritas“ aus anderen Landesteilen, daß Senegals Armee Hilfslieferungen an Flüchtlinge verhindere. Der letzte Hilfstransport in die von den Rebellen kontrollierte Region um Mansoa liege zwei Wochen zurück.
Nun wird der Krieg in Guinea- Bissau zu einer Regionalangelegenheit. Ende letzter Woche beschloß die westafrikanische Regionalorganisation „Ecowas“, das Mandat ihrer bereits in Sierra Leone und Liberia stationierten Eingreiftruppe Ecomog auf Guinea- Bissau auszudehnen – allerdings ohne Zeitplan. Der Beschluß bedeutet eine Niederlage für Senegal, das bei einer Ecomog-Stationierung das Kommando seiner Truppen mit der Ecowas teilen müßte. Senegal wollte lieber zusätzliche Bodentruppen aus anderen Ländern unter seinem alleinigen Kommando in Guinea-Bissau einsetzen, von der Ecomog allenfalls aus der Luft unterstützt – das hieße in der Praxis nigerianische Luftangriffe auf den von den Rebellen gehaltenen Flughafen von Bissau. Nigeria soll nun statt dessen verlangt haben, daß Senegal und Guinea ihre Kontrolle in Guinea-Bissau erst einmal selber festigen. So ist Senegal nun gezwungen, seine Militärintervention in einen Eroberungskrieg zu verwandeln. Bei einem Angriff auf die Stadt Mansoa, wo sich Zehntausende Flüchtlinge versammelt haben, zündeten senegalesische Truppen letzte Woche nach Berichten italienischer Missionare Dörfer an und begangen Grausamkeiten an der Zivilbevölkerung. Solche Fehltritte stoßen nicht nur in Senegal auf Skepsis. Die Zeitung Le Jour in der Elfenbeinküste kommentiert: „Dieser Krieg könnte zu Afrikas Vietnam werden, wenn die Staaten sich statt friedlicher Konfliktregelung auf die Flucht nach vorn beschränken, die darin besteht, um jeden Preis einen allem Anschein nach nicht mehr legitimierten Präsidenten wieder in seinen Sessel einzusetzen.“
Die Ausweitung des Krieges kommt zudem für Senegal zu einem innenpolitisch heiklen Zeitpunkt. Das Ende Mai neugewählte Parlament, das vergangene Woche zu seiner ersten Sitzung zusammentraf, spiegelt die Schwächung der seit 1960 regierenden Sozialistischen Partei (PS) wieder: Die PS hält nur noch 93 von 140 Sitzen, und zum ersten Mal gibt es zwei Oppositionsfraktionen. Premierminister Habib Thiam trat am Freitag zurück und wurde am Wochenende durch Wirtschaftsminister Mamadou Lamine Loum ersetzt. Während Loum das Vertrauen ausländischer Geldgeber bewahren soll, wird das Militär vermutlich freiere Hand denn je erhalten. Dabei ist Senegal eines der wenigen Länder Afrikas, in dem das Militär nie in die Politik eingegriffen hat. Dominic Johnson
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen