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Bundesland heute

■ Österreich hat für seinen ORF einen neuen Chef ausgekungelt. Der macht weiter wie gehabt

Es bleibt alles beim alten. Die Wahl von Gerhard Weis, 59, zum neuen Generalintendanten des österreichischen ORF garantiert Kontinuität. Überraschend schnell hat am Montag das Kuratorium des Senders mit großer Mehrheit den bisherigen Generalsekretär zum künftigen Chef der öffentlich- rechtlichen Anstalt gewählt. Der derzeitige ORF-Intendant wird die österreichische Tradition im deutschen Privatfernsehen fortsetzen und geht noch in diesem Jahr als Nachfolger von Helmut Thoma zu RTL nach Köln.

Ermöglicht wurde die rasche Entscheidung durch den Verzicht des kaufmännischen Direktors Peter Radel, der eingesehen hatte, daß er nicht mehrheitsfähig war. Es ging, wie meistens in Österreich, nicht um eine Entscheidung zwischen zwei Konzepten, sondern um die Frage, ob die Sozialdemokraten oder die christdemokratische ÖVP ihren Mann durchsetzten. Nur eine einzige Zusage will Gerhard Weis gemacht haben, der wie sein Vorgänger zur SPÖ-Seite gezählt wird: Die Garantie, keine Privatbeteiligungen zuzulassen. Der ORF solle eine rein öffentlich- rechtliche Anstalt bleiben.

Das 1,4 Milliarden-Mark-Unternehmen orientiert sich allerdings zunehmend am Markt und konnte die Konkurrenz der deutschen Privatsender nur durch konsequente Niveauabsenkung erfolgreich abwehren. In der ersten Juliwoche wurden die in Österreich mit jeweils knapp über einer Million Seher meistgoutierten Sendungen, „Forsthaus Falkenau“ und „Derrick“, in ORF 2 ausgestrahlt. Die erfolgreichste aus dem Ausland eingestrahlte Sendung („Tatort“, ARD) erreichte nur 258.000 Seher.

Daß Weis der Lieblingskandidat der SPÖ war, hat er eigentlich nur dem Umstand zu verdanken, daß sich Vizekanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) auf seinen Rivalen Peter Radel eingeschworen hatte. Über sein Team wollte der zukünftige Chef noch nichts sagen. Daß die Sozialdemokraten obenauf bleiben, ist selbstverständlich. Die Partei, die den Bundeskanzler stellt, kontrolliert traditionell das ORF-Kuratorium. Und SPÖ-Generalsekretär Andreas Rudas, der selbst beim ORF Karriere gemacht hat, wird seine alten Verbindungen zu nutzen verstehen.

Programmatisch ist bei Gerhard Weis vor allem sein Provinzialismus: An Programmvorhaben ließ er sich bislang vor allem entlocken, daß er die Sendung „Bundesland heute“ ausdehnen will. Mit der Wahl des neuen Generalintendanten, der während des Sommerurlaubs von Gerhard Zeiler bereits die Hofübernahme proben kann, steht theoretisch auch der lange fälligen ORF-Reform, die der Anstalt eine neue Rechtsform verpassen soll, nichts mehr im Wege. Der ORF selbst wird mit Weis diese Diskussion wohl vollständig den Parteien überlassen.

Zeiler hatte mit seinem Konzept, den Sender in eine Aktiengesellschaft zu verwandeln, immerhin noch selbst eingegriffen. Trotz dessen Abgang ist das AG-Modell indes noch nicht vom Tisch, das vor allem in der SPÖ Anhänger hat. Umstritten ist aber, wer die Anteile halten soll: Bund und Länder (ÖVP), möglichst viele Volksaktionäre (SPÖ) oder eine öffentlich- rechtliche Beteiligungsgesellschaft (so eine ORF-Reformkommission). Im Zweifelsfall, sagt die ÖVP, sollte lieber alles so bleiben, wie es ist.

Und innenpolitisch passiert ohnehin nichts, bevor Österreich zum Jahreswechsel den EU-Ratsvorsitz abgibt. 1999 stehen dann Nationalratswahlen ins Haus – auch das ist erfahrungsgemäß keine gute Zeit für große Würfe. Ralf Leonhardt

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