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Schloß oder Heim?

Nach dem Mord von Tonndorf: Die neue Debatte über Jugendgewalt bewegt sich zwischen Wegsperren und Erziehungskonferenzen  ■ Von Elke Spanner

Ursprünglich, so der Sprecher des „Vereins für Tonndorf“ Horst Naruga, sollte die Menschenkette zur Jugendvilla führen, um eine andere Politik einzufordern: Die gesicherte Unterbringung krimineller Jugendlicher. Das sei indes gar nicht mehr nötig, freut er sich nun, denn „die öffentliche Diskussion ist ja schon so weit“.

Der Hamburger Senat befaßte sich gestern und heute mit Konsequenzen aus dem Mord von Tonn-dorf. Zur Debatte steht, ob die Betreuung für straffällige Jugendliche intensiviert werden soll. Doch wer jetzt nach einem „harten Durchgreifen“ verlangt und gar geschlossene Heime fordert, verkennt laut Justizsprecherin Annette Pflaum eines: „Heimunterbringung hat mit Strafe überhaupt nichts zu tun.“

Wer für Verbrechen weggesperrt werden soll, landet ohnehin im Jugendknast. Ein Heim hingegen soll Jugendliche vor „Gefahren für sich oder andere schützen“. Bis Anfang der achtziger Jahre setzte man dabei in Hamburg auch auf verriegelte Türen. Die Erfahrungen damit waren schlecht. Die Fluchtrate war hoch, die Quote derer, die anschließend wieder straffällig wurden, ebenso. „Statt sich zu integrieren, überlegten die Jungen nur, wie sie dort wieder rauskommen“, weiß die Leiterin der Unterkunft am Pulverhofweg, Christiane Kluge. „Hilfe nahmen sie in einem solchen Gewaltverhältnis nicht an.“

Seit 1981 die Türen geöffnet wurden, gibt es unterschiedliche Wohnformen. Zu ihnen führen zwei Wege: über die Jugendbehörde oder ein Jugendstrafgericht. Die Jugendbehörde entscheidet, jemanden unterzubringen, wenn es „schädliche Entwicklungstendenzen“ abzuwenden gilt. Das kann eine Straftat sein, muß es aber nicht. Obdachlose Jungen und Mädchen bekommen so ein Dach über dem Kopf oder Jugendliche, die entweder ihre Eltern tyrannisiert haben oder umgekehrt. Je nach Alter und Selbständigkeit kommen sie in eine Jugendwohnung, Wohngruppe oder sogenannte Lebensgemeinschaft.

Der zweite Weg ins Heim führt über das Gericht. Auch in Strafverfahren gegen einen Jugendlichen kann das Gericht Untersuchungshaft anordnen. Das darf aber nur das allerletzte Mittel sein. Vorrangig muß das Gericht prüfen, ob die Unterbringung in einem betreuten Heim ausreicht – bisher im Pulverhofweg, der einzigen Einrichtung dieser Art in Hamburg. Nun allerdings muß ein neuer Standort gefunden werden.

Der Alltag dort wird nicht allein vom Träger, dem LEB, sondern auch von den Jugendgerichten bestimmt: „Wer in den Abendstunden Straftaten begangen hat, bekommt etwa die Auflage, das Haus im Dunkeln nicht mehr zu verlassen“, nennt Leiterin Kluge ein Beispiel. Bei Mißachtung der Auflagen geht's zurück in den Untersuchungsknast.

Daß Hamburg nun den Schritt rückwärts geht und die Türen der Heime wieder schließt, glaubt Justizsprecherin Annette Pflaum nicht. Vielmehr arbeiteten Fachleute derzeit an einem „Frühwarnsystem“. Nach englischem Vorbild hat etwa der Verein „Plan haben“ in Norderstedt Patenschaften für verhaltensauffällige Mädchen und Jungen eingerichtet.

SPD-Justizsenatorin Lore Maria Peschel-Gutzeit plädiert für frühzeitige „Erziehungskonferenzen“: Schnappt die Polizei einen Jugendlichen bei einer Tat oder streunend nachts auf der Straße, soll sie FamilienrichterInnen, PädagogInnen und die Eltern zur Beratung zusammentrommeln – und zwar schon, bevor sich Taten mehren und sich die Frage einer Heimeinweisung stellt.

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