: Kraft reiner Malerei
■ Dagmar Rauwald, Florian Köhler und Andreas Girth auf K3
„Es geht nicht um ausfärbeln, es geht um Malerei als Prozeß“ sagt Florian Köhler. Der 60jährige Maler ist mit dem ganzen Gewicht eines anerkannten Werks der Seniorpartner bei der Ausstellung Ins Bild – Malerei 1995 auf Kampnagel. Seine aus der Tradition des Informel zu einem komplexen figurativen Geflecht geführten Bilder geben einen Bezugspunkt für die ein Vierteljahrhundert jüngeren Hamburger Dagmar Rauwald und Andreas Girth.
Mit fünfzehn großformatigen Arbeiten besetzt Dagmar Rauwald das Zentrum der Ausstellunghalle K3. Seit ihrem Studium bei Bernd Koberling und Sigmar Polke verfolgt sie in immer neuen Varianten ihre spezielle Körpererforschung. Ein „Embryonales Gesicht“ nimmt Gestalt an, in „Nase –>Gehirnhälften (Denkmodell)“ werden Sinneseindrücke auf ganz ungewohnte Weise visualisiert. Die vielschichtig, dunkelleuchtend bemalte Bildfläche zeigt einen psychischen Körper, in dem die Malerin die allzu häufige Trennung von geistigen Konzepten und sinnlicher Körpererfahrung aufhebt.
Scheinen Dagmar Rauwalds Bilder von innen nach außen aufgebaut, ist es bei Andreas Girth umgekehrt. In klaren Formen und mit spiegelnd gefirnister Oberfläche wirken seine Bilder von weitem wie Piktogramme von Beziehungen. Doch auch hier sind die gedämpften Farben schichtweise aufgebaut, zeigen Risse und Kratzspuren eine hinter den schablonenähnlichen Figurationen liegende Nervösität. Es ist eine Malerei, die als Urgrund für Bildfindungen in einem der Art Brut verwandten Zeichengestus dient.
Solche archaischen Ikonen haben neben der obsessiv subjektiven Malerei von Dagmar Rauwald fast etwas überzeitlich Religiöses, während bei Florian Köhler komplex gebrochene soziale Beziehungen zu erfahren sind. Ihn interessiert die Menschengruppe: Fischer am Strand seiner zweiten Heimat, der französischen Insel Oleron, sind der Ausgangspunkt mehrerer Bilder. So sehr die Farbigkeit auch hier einen Eigenwert darstellt, bleibt doch ein landschaftsähnlicher Bildraum erhalten, in dem die Malerei sich zu anderen Szenen verdichtet: Mal meint man ein Nomadenlager, Bauern bei der Ernte oder Schrottplatzarbeiter zu sehen.
Doch gleich ob Florian Köhler mit einem so präzisen Bildtitel wie „Moliere en route“ auf Adriane Mnouchkines Filmepos verweist, Dagmar Rauwald seltsam wissenschaftlich ein Bild „Kopf-Schnitt (Voxelmann)“ nennt oder Andreas Girth zwei verbundene Kopf-Formen poetisch als „Trostbild“ bezeichnet, es geht im Grunde bei allen dreien immer nur um die Kraft reiner Malerei. Hajo Schiff
Kampnagel, K3, Di-So 16-20 Uhr, bis 22. Juli
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