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Keine Nachrichten

...vielleicht bleibt am Ende sogar nur ein einziger Satz. Warum es auch von dieser WM eigentlich nichts zu berichten gab  ■ Von Peter Unfried

Nachdem nun fünf Wochen und werweißwievieltausend Texte, Meldungen, Nachrichten ins Land gezogen sind, muß man sich einmal die Frage stellen: Was wird, wenn morgen alles vorbei ist, die Nachricht dieser WM gewesen sein? Die Antwort ist einfach: Brasilien ist Weltmeister. Oder: Frankreich ist Weltmeister. Diese Nachricht wird Bestand haben.

Mit dem Rest der WM-Berichterstattung verhält es sich komplizierter. Vielleicht kann man das am Beispiel der deutschen Mannschaft aufzeigen. Natürlich gab es einen Bedarf an WM-Berichterstattung. Da war aber nur eine Turnhalle in Nizza, in der der DFB-Mediendirektor Wolfgang Niersbach täglich um die Mittagszeit entweder den Trainer Vogts oder zwei bis drei Spieler aufs Podium setzte. Die wurden daraufhin zunächst von Niersbach selbst aufgewärmt und dann mit Fragen der knapp 150 deutschen Medienschaffenden so in die Enge getrieben, bis sie wie Lothar Matthäus nur noch die gnadenlose Wahrheit gestehen konnten. Die lautete in der Regel: „Einerseits möchte man natürlich spielen, andererseits akzeptiert man jede Entscheidung des Bundestrainers.“ So ist das tatsächlich beim Fußball, so ging das daher alle Tage, und jeder klagte, es gebe überhaupt keine schönen Nachrichten, weil der raffinierte Niersbach sie verhindere.

Es gab tatsächlich kaum mehr als die Halle. Die Hotelburg Le Mas d' Artigny wurde von scharfen Polizisten gesichert, die Handys waren womöglich konfisziert, und der eben begnadigte Lothar Matthäus kontrollierte seinen Output höchstpersönlich. Und wenn man in einer sogenannten Mixed Zone nach den Spielen einmal nur noch durch ein Gatter getrennt war von den Handelnden, sagten die, sie hätten „doch schon alles gesagt“. Oder sie sagten es doch noch mal. Oder der omnipräsente Niersbach („Lothar, komm jetzt endlich“) war zur Stelle und grätschte das Ding aus der Gefahrenzone.

Eigentlich gab es nur einmal eine richtig griffige sogenannte „Geschichte“. Bild meldete exklusiv die vorzeitige Abreise von Michaela Möller, Ehefrau des soeben hart kritisierten Nationalspielers Andreas Möller. Es war der einzige Volltreffer des einstigen Marktführers. Andere Bild-Exklusiv-Scoops wie „Nur noch fünf Tage“ oder „Heute gegen die Sombreros“ zeigen, wie trostlos die Nachrichtenlage wirklich gewesen sein muß.

Das alles ist Grund genug, an dieser Stelle harmlos zu fragen: Was ist überhaupt eine WM-Nachricht? Antwort: Eine WM-Nachricht ist in der Regel ein zufällig aufgeschnapptes oder konkret eingefordertes Zitat, das es geschickt einem Kontext anzupassen gilt.

Hat zum Bespiel eben der SPD- Kanzlerkandidat seinen Besuch beim DFB-Team abgesagt, geht man in die Turnhalle und hebt die Hand. Wird man dann von Niersbach als Fragesteller akzeptiert, kann man dem DFB-Trainer die gnadenlose Frage stellen: „Herr Vogts, fühlen Sie sich von Gerhard Schröder im Stich gelassen?“ Er antwortet: „Ich weiß, daß Schröder ein Fußballverrückter ist, und gehe davon aus, daß er kommt.“ Und damit hat man die Schlagzeile: „,Schröder verrückt‘ – Vogts will Absage des Kanzlerkandidaten nicht akzeptieren“.

Ein Beispiel, das alle interessierte: Der Stürmer Bierhoff sagt, er profitiere von Häßlers Mitwirken, weil der seine Tore vorbereite. Das ist statistisch belegbar. Ist also die Nachricht: Bierhoff profitiert von Häßler? Nein, das ist langweilig. Bierhoff fordert Häßler? Schon besser – aber noch nicht zugespitzt genug. Die Nachricht ist: „Bierhoff attackiert Möller“. Wie nämlich jeder aus zirka einer Million diesem Thema gewidmeten Texten weiß, kann nur entweder Häßler spielen – oder Möller.

Man kann heute sagen: Die Medienarbeit des DFB war erfolgreich – aus Sicht des DFB. Die üblichen Geschichten um nächtliche Bordellausflüge, große Saufgelage, böse Intrigen etc. wurden verhindert.

Dennoch mag die DFB-Arbeit in ihrer prinzipiellen Verweigerung auch kontraproduktiv gewesen sein. Immerhin dürfte sie ein Grund sein, warum das frustrierte Boulevard nun eine Umfrage an die andere reiht, in der Hoffnung, den unkommunikativen, unkooperativen und damit ungeliebten DFB-Trainer Vogts doch eines Tages loszuwerden. Vielleicht hat sie sogar dazu beigetragen, daß auch in der Öffentlichkeit ein Überdruß an der öffentlichen Figur des „Berti“ zu notieren ist, den Hans- Hubert Vogts auch in diesen fünf Wochen nur unbefriedigend zu geben in der Lage war.

Was ist geblieben? Keine Nachricht, bloß eine Frage. Es ist leider wahr, daß es wieder einmal Bild brauchte, um es auf den Punkt zu bringen. „Berti – was geht in ihm vor?“ fragte das Blatt diese Woche immer noch hartnäckig. Nachdem aber längst alles vorbei ist, ist das jetzt letztlich auch egal.

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