: Gesucht: Eine kreative Lösung für den Kosovo
■ Bonn und Moskau suchen einen politischen Ausweg aus der Krise in der serbischen Provinz. Als mögliches Vorbild gilt das Dayton-Abkommen. Albaner melden Angriff auf Vorort von Pec
Moskau/Prishtina (AFP) – Rußland und Deutschland haben einen neuen Versuch zur Lösung des Kosovo-Konflikts unternommen. Außenminister Klaus Kinkel (FDP) sagte nach einem Gespräch mit seinem russischen Kollegen Jewgenij Primakow am Samstag in Moskau, sie seien sich einig gewesen, daß eine politische Lösung absolut im Vordergrund stehen müsse. „Wir haben über neue kreative Lösungswege nachgedacht“, sagte Kinkel, nannte aber keine Details. Die Lage in der serbischen Unruheprovinz nannte er „hochexplosiv“. Bei Kämpfen am Wochenende wurden zwei Menschen getötet und acht verletzt.
„Vielleicht brauchen wir doch einen Prozeß ähnlich dem, der in Dayton abgelaufen ist“, sagte Kinkel dem Berliner Tagesspiegel. Da Rußland ein militärisches Eingreifen im Kosovo ablehnt, würde dies offenbar darauf hinauslaufen, daß die Konfliktparteien ähnlich dem Daytoner Verhandlungsprozeß unter Druck gesetzt werden sollen, bis eine Lösung erzielt ist.
Kinkel informierte nach seiner Rückkehr aus Moskau fast alle Außenminister der Kontaktgruppe über sein Gespräch mit Primakow. Die Kontaktgruppe, der neben Rußland und Deutschland die USA, Großbritannien, Frankreich und Italien angehören, hatte eine sofortige Waffenruhe gefordert, um den unterbrochenen Dialog über eine Autonomielösung zwischen Belgrad und Prishtina wieder in Gang zu bringen. Die Staatengemeinschaft lehnt eine Unabhängigkeit des Kosovo ab. Primakow bezeichnete die „totale Integrität Jugoslawiens“ sowie die Gewährung einer Autonomie für die Kosovo-Albaner als die wichtigsten Grundsätze Moskaus.
Der Führer der Kosovo-Albaner, Ibrahim Rugova, soll nach Angaben Kinkels Hauptgesprächspartner bleiben. Es müßten aber alle einbezogen werden, die zu einem Waffenstillstand beitragen könnten. Ein UCK-Sprecher sprach Rugova dagegen jegliche Autorität ab. Die Befreiungsarmee erkenne ihn nicht als ihren Führer und auch nicht als „Präsidenten der Republik Kosovo“ an, sagte Jakup Krasniqi der Koha Ditore vom Samstag. In der Sonntagausgabe der Zeitung versicherte er, die UCK rücke „sehr schnell“ auf Prishtina vor. In einer gestern veröffentlichten Erklärung der Befreiungsarmee hieß es, sie weite ihre „Operationen gegen die serbischen Truppen“ im Kosovo aus.
Nach Angaben des albanischen Informationszentrums in Prishtina begannen serbische Kampfverbände am Samstag eine Offensive auf Lodje, einen Vorort von Pec. Danach wurde der Ort von vier Seiten mit Artillerie beschossen. Die Bewohner seien in Panik geflohen. Einwohner Pec' dagegen sagten, sie hätten lediglich einige Gewehrschüsse gehört. Auch von serbischer Seite wurde ein Großangriff dementiert. Pec, rund 80 Kilometer westlich von Prishtina, ist die zweitwichtigste Stadt im Kosovo.
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