■ Kommentar: Der Momper-Faktor
Gezielt und mit Geschick hat Walter Momper sein politisches Comeback vorbereitet. Mit dem Adlershofer Parteitag zu Wirtschaftsfragen im vergangenen Herbst und seinem gut inszenierten Auftritt beim SPD-Parteitag Anfang Juni hat er sich auf der politischen Bühne zurückgemeldet. Seine Popularität an der SPD-Basis ist ungebrochen, vor allem im Ostteil der Stadt. Keine Frage, der Mann mit dem roten Schal ist im Rennen um die Spitzenkandidatur ein ernstzunehmender Faktor.
Dem wenig charismatischen SPD-Fraktionschef Klaus Böger könnte der hemdsärmelige Berliner gefährlich werden. Böger ist zwar unbestritten der Architekt vieler schwieriger Kompromisse in der Großen Koalition und derzeit die einzige Führungsfigur in der SPD, doch Momper hat einen nicht unbedeutenden Vorteil auf seiner Seite. Eine infratest-Umfrage im März ergab für Momper einen Bekanntheitsgrad von fast 90 Prozent. Der Name Böger war dagegen zwei Dritteln der Befragten unbekannt. Als Spitzenkandidaten wünschten sich 10 Prozent der Befragten Momper, nur 5 Prozent wollten Böger.
Mit einem populären Kandidaten in den Wahlkampf zu ziehen ist eine Aussicht, die manchem Genossen das Herz höher schlagen läßt. Dahinter steckt wohl auch die Sehnsucht nach einer lebendigeren Politik. Momper könnte am ehesten Aufbruchsstimmung auslösen. Doch die SPD-Funktionäre tragen Momper seinen autokratischen Führungsstil und seine oft harsche Kritik an der Partei noch immer nach. Das Rennen wird spannend. Die verfrühte Debatte um die SPD-Spitzenkandidatur legt derzeit vor allem das Personalproblem der Sozialdemokraten offen. Bögers mangelndes Charisma und Strieders gesunkener Stern markieren die Lücke, die Walter Momper für sich nutzen kann. Dorothee Winden
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