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Raketen waren kein Problem

Ein Deutscher lieferte Hubschrauber gegen Öl: Die Regierung von Kongo-Brazzaville enthüllt die Waffengeschäfte ihres 1997 per Bürgerkrieg gestürzten Vorgängers  ■ Von François Misser

Die Lieferanten kamen aus Südafrika. Am 1. Juni 1997 schickte der in Südafrika lebende deutsche Unternehmer Rudolf Wollenhaupt der Regierung von Kongo-Brazzaville eine Rechnung über 19,9 Millionen Dollar für die Lieferung von vier Transporthubschraubern des Typs Puma SA 330 L. Die südafrikanische Staatsfirma Denel Aviation, so wurde darin festgelegt, sollte die Hubschrauber vor der Auslieferung noch überholen.

Vier Tage danach brach in Kongo-Brazzaville Krieg zwischen der Regierung von Präsident Pascal Lissouba und der Opposition unter Denis Sassou-Nguesso aus. Das Militär des demokratisch gewählten Lissouba zeichnete sich dabei durch blutige Luftangriffe auf die von Sassou-Nguessos Milizen gehaltenen Viertel der Hauptstadt Brazzaville aus. So starben am 26. August Hunderte von Menschen, als Lissoubas Hubschrauber die Viertel Mpila und Poto-Poto bombardierten.

Der Krieg endete im Oktober mit dem Sieg Sassou-Nguessos. Bei der Einnahme des Präsidentenpalastes am 15. Oktober fanden seine Truppen Dokumente, die belegen, wie die Regierung Lissouba ihren Krieg führte.

Am 27. Juni 1997 bestätigte der Deutsche Wollenhaupt die Entgegennahme eines neuen Auftrags aus Kongo-Brazzaville für Transporthubschrauber. Über den Belgier Stephane Boisecq, ebenfalls Unternehmer in Johannesburg, wurden dann zwei Hubschrauber des Typs MI-17 IV geliefert. Eine Notiz von Boisecq an Präsident Lissoubas Sekretärin Claudine Munari präzisiert, daß solche Transporthubschrauber problemlos zu Kampfhubschraubern mit Raketenwerfern umfunktioniert werden können. Unten auf dem Schriftstück ist sogar handschriftlich der Preis der entsprechenden Raketen vermerkt.

Andere Rechnungen betreffen die Verleihung von Flugpiloten und die Lieferung von Armeelastwagen. Alle Kriegsgeräte, so heißt es, sollen über Namibia exportiert werden. Zolldokumente belegen außerdem die Lieferung von acht Hubschraubern aus Kirgisien.

Bezahlen wollte die Regierung Lissouba all ihre Hubschrauber im Wert von 100 Millionen Dollar mit Öl. Kongos Wirtschafts- und Ölminister, Nguila Moungounga- Nkomba und Benoit Koukebene, unterschrieben am 2. Oktober einen Vertrag über die Lieferung von monatlich 160.000 Barrel Rohöl an Wollenhaupts Firma Ebar Management ab November – im Gegenzug würde die Firma in zwei Raten das Geld für die Bezahlung der Hubschrauber überweisen. Die erste Rate von 50 Millionen Dollar sollte am 17. Oktober gezahlt werden. Zwei Tage vorher stürzte Lissouba.

Diese und andere Einzelheiten präsentiert Kongo-Brazzavilles heutige Regierung von Denis Sassou-Nguesso jetzt der Weltöffentlichkeit in einem „Weißbuch“. Ihr Ziel ist, die Vorgängerregierung Lissouba vor Gericht wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu bringen. Die 1.500 Seiten starke dreibändige Sammlung von Dokumenten ist sicher einseitig, da die Aktivitäten von Sassou-Nguessos Seite darin nicht auftauchen. Dennoch ist es das erste Mal, daß die geheimen Kriegsgeschäfte einer Regierung nicht nur der Nachwelt erhalten bleiben, sondern auch so schnell der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Rodolphe Adada, Außenminister von Kongo-Brazzaville, sagte der taz, daß die betroffenen Regierungen ihre eigenen Schlüsse daraus ziehen müßten. Adada hat das Weißbuch an die Regierungen Belgiens, Frankreichs, der USA und auch an die UNO weitergeleitet. Er hofft, daß ein eventuell zu konstituierender internationaler Strafgerichtshof sich der Sache ebenfalls annimmt.

Das Weißbuch bestätigt auch die Versuche des gestürzten Lissouba, Söldner aus Israel zu rekrutieren, um seine Milizen zu trainieren. Der belgische Söldnerkönig Christian Tavernier, der Anfang 1997 im benachbarten Zaire eine internationale Söldnertruppe für das Mobutu-Regime gegen die Kabila-Rebellen ins Feld schickte, wurde dem Weißbuch zufolge im August 1995 für eine „Operation Demokratiesicherung“ angeworben. Offiziell sollte die Operation dazu dienen, die Armee für Entwicklungszwecke umzubilden; dem Weißbuch zufolge sollte in Wirklichkeit die Präsidentengarde unter Taverniers Kommando aufgerüstet werden. Ein Mitarbeiter Taverniers erläutert, daß die Sache aufgrund eines Streits zwischen Tavernier und Lissoubas Sekretärin Claudine Munari geplatzt sei.

Das Weißbuch geht auch auf Aktivitäten des jetzt im Exil lebenden Ex-Präsidenten bei der Suche nach neuen Verbündeten ein. So wird ein handgeschrieber Brief Lissoubas publiziert, mit dem der gestürzte Staatschef am 23. Februar aus dem Exil in der westafrikanischen Elfenbeinküste zwei Berater beauftragt, Geld „für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Kongo“ zu akquirieren. Am nächsten Tag lud einer dieser beiden Berater einen Manager der spanischen Ölfirma Repsol zu Gesprächen ein. Die Ex-Regierung Lissouba soll Repsol, obwohl sie nicht mehr an der Macht ist, einen Anteil von 51 Prozent am ertragreichsten kongolesischen Ölfeld N'Kossa angeboten haben.

Man muß dazu sagen, daß all diese Enthüllungen nur die halbe Wahrheit über den Bürgerkrieg in Kongo-Brazzaville 1997 darstellen. Die Aktivitäten der jetzigen Regierung Sassou-Nguesso bleiben im dunkeln – sicher aus Rücksichtnahme auf die Pariser Realpolitik, die Sassou-Nguesso unterstützt, und auf die Interessen des französischen Ölkonzerns Elf, dem Lissouba während und nach des Bürgerkrieges vorwarf, die Gegenseite zu unterstützen. Aber zumindest kann Lissouba seine Hoffnungen auf ein politisches Comeback jetzt wohl begraben. Das ist zweifellos auch Sinn der Sache.

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