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Unterricht? Nicht mit deinem Kopftuch!

■ Baden-Württemberg übernimmt afghanische Referendarin nicht in den Schuldienst, weil sie auf ihr Kopftuch nicht verzichten will. Mit diesem „politischen Symbol“ sei die „negative Religionsfreiheit“ der Schüler nicht garantiert

Stuttgart (taz) – Die 25jährige Referendarin Fereshta Ludin wird nicht in den Schuldienst übernommen. Das zuständige Stuttgarter Oberschulamt beendete gestern mit dieser Entscheidung den wochenlangen Streit um das Kopftuch der aus Afghanistan stammenden deutschen Muslimin. Vor der Presse unterstützte die baden-württembergische Kultusministerin Annette Schavan (CDU) die Behörde und wies auf die „Signalwirkung“ des Kopftuches hin.

Schavan sagte, sie sei nach einer Güterabwägung und der „Zusammenschau“ der Grundrechte auf Religionsfreiheit und des Grundsatzes der Objektivität und Neutralität der Amtsführung zu der Auffassung gelangt, daß Ludin für den Staatsdienst nicht geeignet sei, wenn sie „darauf besteht, dennoch das Kopftuch im Unterricht zu tragen“. Durch dieses Beharren mache Fereshta Ludin deutlich, „daß ihr die Eignung fehlt, die öffentliche Signalwirkung... zu berücksichtigen“. Das Tragen eines Kopftuches gehöre „nicht zu den religiösen Pflichten“ einer Muslimin. Es werde vielmehr „in der innerislamischen Diskussion auch als Symbol für kulturelle Abgrenzung und damit als politisches Symbol gewertet“, sagte Schavan. Wichtiges Kriterium beim Vermitteln von Werten und Normen sei, so Schavan, die Toleranz: „Wer dazu erziehen will, muß sie auch vorleben.“ Außerdem müsse im Klassenzimmer auch die „negative Religionsfreiheit“ der SchülerInnen garantiert sein.

Wochenlang hatte der Streit die Öffentlichkeit erregt. Die Frau unterrichtete als Referendarin an einer Grundschule im Dorf Plüderhausen. Damals, im Frühjahr 1997, hatte sie noch Schützenhilfe von Schavan bekommen, nachdem ihr schon damals die Schulbehörde die Kopfbedeckung hatte verbieten wollen. Auch Ministerpräsident Erwin Teufel (CDU) hatte in einer ersten Landtagsdebatte zu verstehen gegeben, daß es ihm mehr darauf ankomme, was ein Mensch im Kopf habe, und nicht, wie dieser bedeckt sei. Die Ministerin erklärte damals, sie akzeptiere die Kleiderordnung von Ludin als Ausdruck von deren persönlicher, individueller Religiosität. Ein generelles Verbot an Schulen und Hochschulen sei außerdem „aller Voraussicht nach verfassungswidrig“. Eben deshalb müsse, so Schavan heute, „im Fall einer konkreten Übernahme in den Staatsdienst“ einzeln entschieden werden. Referendarin habe Ludin nur werden dürfen, weil damals „das Ausbildungsmonopol des Staates bei der Lehrerbildung für mich die entscheidende Rolle gespielt hat“.

Die öffentliche Diskussion war im Juni 1998 wieder angeheizt worden, nachdem abzusehen war, daß die Hauptschullehrerin mit so guten Noten abschließen würde, daß ihre Einstellung nicht zu umgehen gewesen wäre. Vor allem CDU-Abgeordnete und „Republikaner“ wetterten erbittert gegen das sichtbare Symbol. Sie argumentierten vor allem mit dem Karlsruher Kruzifix-Urteil. Die „Republikaner“ hatten das Thema mit einer Anfrage auf die Tagesordnung der morgigen Plenardebatte im Landtag gesetzt und eine Grundsatzentscheidung verlangt.

Aber auch in den Reihen von SPD und Grünen gab es mehrheitlich grundsätzliche Bedenken gegen die Zulassung der Kopftuch tragenden Pädagogin. Sie könnte, argumentierten sie, kontraproduktiv auf diejenigen muslimischen Familien wirken, die versuchen, sich den hiesigen Gepflogenheiten anzupassen. Das staatlich abgesegnete Stück Stoff führe zur Verunsicherungen und stärke den Fundamentalismus.

In Nordrhein-Westfalen überläßt das Kultusministerium die Entscheidung den Schulräten. Auch Bayern möchte nicht am Kopftuch rühren; ein Sprecher des dortigen Ministeriums nannte im vergangenen Jahr das Tuch „ein Zeichen für Religiosität, das die Elternrechte nur am Rande berührt“. Allerdings, räumte ein Regierungssprecher ein, gebe es bisher dort keine einzige bekennnde Kopftuchträgerin im Schuldienst. Heide Platen

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