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Berserker tanzen über die Baustelle

Am 19. August startet das Internationale Sommertheater Festival – nicht nur auf Kampnagel  ■ Von Barbora Paluskova

Je mehr Beine, desto sicherer der Standpunkt: Das Internationale Sommertheater Festival, seit 1984 an der Jarrestraße angesiedelt, weitet sich in der Stadt aus. Die Veranstaltung, laut Selbstauskunft eines der „großen internationalen Tanz- und Theaterfestivals Europas“ und mit einem Budget von 2,1 Millionen Mark ausgestattet (hinzu kommen 500.000 Mark Sachleistungen und 250.000 Mark Reisekostenzuschüsse), wird in diesem Jahr nur zum Teil auf der Baustelle Kampnagel stattfinden.

Sechs der 19 Produktionen werden in den Kammerspielen gezeigt, und ein weiteres kleines Bein befindet sich in der Staatsoper. Dort wird am 19. August das Festival starten: Die Bat-sheva Dance Company präsentiert mit Sabotage Baby ein Tanzstück, das den „häufig depressiven Blick auf die allgegenwärtigen Probleme Israels durch eine opulente Vision von Schönheit“ ersetzen will. Die hat Ohad Naharins Compagnie auch nötig. In ihrem Heimatland scheiterte die Aufführung bei den Feierlichkeiten zum 50. Jahrestag der Staatsgründung Israels an angeblich unzureichender Bekleidung. Die Gäste der europäischen Erstaufführung in Hamburg werden da hoffentlich etwas toleranter sein.

Der Auftakt verweist auf den thematischen Schwerpunkt des Programms: Anläßlich des genannten Jubiläums werden insgesamt zehn israelische Produktionen in der Stadt gastieren. Obwohl die Künstler selbst im internationalen Kontext präsentiert werden wollten, wurden keine palästinensischen Gruppen eingeladen – um nicht „eine Normalität zu spielen, die es nicht gibt“, wie Festival-Direktor Dieter Jaenicke erläutert.

Einige der Gäste dürften eher ins Geheimtip-Fach gehören, etwa die drei jungen Choreographen aus dem Suzanne Dellal Centre in Tel Aviv oder Ilana Eliya, die in ihren Liedern kurdische und jüdische Einflüsse verbindet. Das Acco Theatre Center Israel zählt dagegen zu den alten Weltbekannten. Ihr Stück The Anthology ist ein Ausschnitt ihrer Inszenierung Arbeit macht frei von Toitland Europa, die bereits 1993 in Hamburg zu sehen war, auch in diesem Jahr sicher einer der Höhepunkte des Festivals.

Wasser, Luft, Feuer und Sand will die ZIK Group in der Vorhalle der K 6 unter dem Titel Enerzik zu einer spektakulären theatralischen Installation bündeln. Alchemie? Wer weiß. Der Ort ist jedenfalls passend gewählt. Wem das immer noch zu kurz greift, dem sei das Cameri Theatre/Itim Ensemble empfohlen: Va Yishtachu – Va Yerra hat nichts geringeres als die Bibel zum Thema, und das in passender Überlänge von acht Stunden – Frühstück inklusive.

Auch bei der Auswahl der Gäste aus dem Rest der Welt waren die Veranstalter nicht kleinlich: Das DV8 physical theatre aus Großbritannien wird seinen Macho-Abgesang Enter Achilles vorstellen, die Belgier Alain Platel und Les Ballets C. de la B. geben sich in Lets op Bach barockem Temperament hin, und mit den Theatreworks Singapur wird eine der bedeutendsten Theatercompagnien Asiens erstmals nach Europa kommen. Ihre Produktion Descendants Of The Eunuch Admiral ist eine Satire auf den chinesischen Erfolgswillen.

Neben den vielen großen Namen sollten aber auch die etwas kleineren nicht vergessen werden: die Tänzer Clara Andermatt (Portugal), Ultima Vez & Wim Vandekeybus (Belgien) und Imed JemÛa (Algerien) werden die internationale Komponente stärken. Aus Deutschland kommen Heiner Goebbels mit dem Hörstück Die Wiederholung, Nicolas Stemann und Bernd Stegemann mit Zombie '45 und Esther Ofarim hinzu – um nur einige zu nennen. Bevor das Festival am 11. und 12. September mit zwei WeltTanzNächten endet, lohnt sich also unbedingt ein Blick ins Programmheft.

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