: Duma verabschiedet Teile des Antikrisenpakets
■ Rußlands Opposition fürchtet um Souveränität und kritisiert Diktat des IWF
Moskau (taz) – Die russische Duma billigte gestern mehrheitlich eine neue Rahmensteuergesetzgebung, die Investoren und Internationaler Währungsfonds (IWF) schon seit langem fordern. Dennoch lehnten die Parlamentarier eine ganze Reihe einzelner Gesetze ab, die als Teil eines von der Regierung vorgestellten Antikrisenprogramms das leere Staatssäckel hätten füllen sollen. So fielen die geplante Vereinheitlichung der Mehrwertsteuer auf 20 Prozent und die Einführung einer fünfprozentigen Verkaufssteuer in der Duma durch.
Die Verkaufssteuer sollte vor allem den Verwaltungen in den Regionen, den 89 sogenannten Subjekten der Russischen Föderation, zugute kommen. Immer wieder geraten sie gegenüber den Staatsbediensteten in empfindlichen Zahlungsrückstand.
Im Gegenzug billigten die Abgeordneten indes die Besteuerung der kleinen Gewerbetreibenden mit einer Abgabe von 20 Prozent. Nennenswerte Einnahmen läßt die Neuregelung des Alkoholmonopols erwarten, das nun wieder an den Staat fällt. Es gehört seit Jahrhunderten zur Tradition Rußlands, Finanzprobleme über eine Alkoholakzise zu regulieren.
Ob die Verabschiedung des gesamten Krisenpakets noch vor der Sommerpause des Parlaments über die Bühne gebracht wird, ist bisher nicht klar. Wesentliche Punkte müssen unterdessen bis Montag geklärt werden. Dann nämlich entscheidet das Direktorium des IWF über die Vergabe der ersten Tranche eines mit Moskau Anfang der Woche ausgehandelten Notkredits.
IWF und andere westliche Gläubiger stellen dem Kreml nochmals eine Finanzspritze von 22,6 Milliarden Dollar zur Verfügung. Allerdings mußte sich die russische Seite verpflichten, auch selbst zum Abbau des Haushaltsdefizits beizutragen. Hieran entzündete sich eine erregte Debatte, genauer gesagt Schimpfkanonade im Parlament. Die Abgeordneten, ohnehin der Meinung, der IWF sei an der wirtschaftlichen Malaise allein schuld, verlangten vom Finanzminister eine detaillierte Auflistung der politischen Forderungen, die der IWF angeblich mit dem Kredit verknüpft habe.
Die Kommunisten fragten an, ob der japanische Anteil des Kredits nur ein kaschierter Kaufpreis der von Rußland seit dem Zweiten Weltkrieg besetzten Kurileninseln seien. In der nationalistischen und kommunistischen Opposition wachsen Ängste, Rußlands Verschuldung untergrabe Souveränität und Eigenständigkeit. Die Duma verabschiedete daher eine Resolution, wonach Neuverschuldungen ohne Zustimmung des Parlaments nicht als russische Staatsschulden anerkannt werden.
Ähnliche Bedenken hegt auch ein Teil der nichtoppositionellen Presse. Die geplanten Verschärfungen der Kreditvergabe durch den IWF – wie sie zur Zeit in Washington diskutiert werden – könnten Rußland „politisch noch teurer zu stehen kommen“, sagte sogar der Vorsitzende der regierungsnahen Fraktion „Unser Haus Rußland“, Alexander Schochin. Die Zeitung Sewodnja mutmaßt argwöhnisch: Bald werde man Moskau Vorschriften machen, Waffenverkäufe an Zypern aufzugeben, den Handel mit dem Iran einzustellen, das besondere Verhältnis zum Irak preiszugeben und Indien nicht bei der Entwicklung des Atomprogramms zu unterstützen. Klaus-Helge Donath
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