Absurde Konsequenz

■ Nach 25 Jahren Hamburg soll ein Türke ausreisen, der keine Aufenthaltserlaubnis will

Tekin Sengül hat das unbestrittene Recht, in Hamburg zu leben. Doch es gibt kein Papier, auf dem das steht, denn er weigert sich, ein solches zu beantragen (taz berichtete). Im Tauziehen zwischen Bürokratie und Recht scheint sich nun die deutsche Ordnungsliebe durchzusetzen: Die Ausländerbehörde hat Sengül aufgefordert, zum 1. September die Bundesrepublik zu verlassen. Der denkt gar nicht daran. „Den Zeitpunkt meiner freiwilligen Ausreise bestimme ich selber.“ Seinen Worten will er Taten folgen lassen: Heute will er das amtliche Papier, das in einem Schaukasten der Ausländerbehörde aushängt, demonstrativ in Stücke reißen.

Seit 25 Jahren lebt Sengül in Hamburg. „Damit habe ich ein natürliches Recht erworben, hier zu leben“, ist er überzeugt. „Ich frage nicht länger um Erlaubnis.“ Das jedoch verlangen Gesetz und Ausländerbehörde. „Nun muß Sengül eben die Konsequenzen tragen“, sagt Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal, und es klingt fast bedauernd. „Wir hätten das ja gerne geregelt.“

In der Tat hat die Ausländerbehörde ungeahnten Einfallsreichtum bewiesen, um Sengül auch gegen seinen Willen zu seinem Glück zu zwingen. Ist für eine Aufenthaltserlaubnis sonst ein schriftlicher Antrag erforderlich, das Vorsprechen beim Sachbearbeiter und Vorlegen persönlicher Unterlagen, genügte im Falle von Tekin Sengül ein ablehnender Brief: „Hiermit möchte ich Ihnen mitteilen, daß ich keinen Antrag auf Aufenthaltserlaubnis stellen werde.“

Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) boykottierte jedoch den Boykott. Er teilte dem renitenten Sengül mit, seine Behörde „wertet dieses Schreiben als formlosen schriftlichen Antrag“. Sengül lehnte postwendend ab und erhielt prompt die Aufforderung, sich die Ausreisefrist beim Sachbearbeiter abzuholen. „Ich bin der moralische Sieger“, ist Sengül überzeugt. „Leider ist mein Gegner auch der Schiedsrichter.“ Weigert er sich, seine Koffer zu packen, könnte das seine zwangsweise Abschiebung zur Folge haben. Absurd findet Behördensprecher Smekal dieses Resultat nicht: „Absurd finde ich nur, daß er sich weigert, den Antrag zu stellen.“ Elke Spanner