■ Querspalte: Robin Hoods Jägerlatein
Irgendwie gehören Lastwagen und Lagerhallen zusammen. Und so schöpft denn auch niemand Verdacht, als vor dem Lager des renommierten italienischen Schulbuchverlages Editrice Loescher in Rivoli vor den Toren Turins drei Lkw vorfahren. Zehn maskierte Männer springen aus den Fahrzeugen und präsentieren den verblüfften Lagerarbeitern statt der üblichen Lieferscheine ihre Armierung. Wider Erwarten interessieren sich die Gangster jedoch nicht für den Weg zur Hauptkasse, sondern ausschließlich für die Lagerhalle selbst. Ruckzuck, rauf auf den Gabelstapler, und schon verschwindet Palette um Palette. Innerhalb von zwei Stunden sind rund 100.000 Bücher verladen, und unauffällig wie sie gekommen sind, verlassen die Wagen den Hof. Gesamtschaden: umgerechnet etwa zwei Millionen Mark.
Soweit eine ganz normale Geschichte. Gestohlen wird schließlich alles Mögliche, warum nicht Bücher. Unklarheit herrscht in diesem Falle allerdings über die Motive der Bande, die sich in einem Bekennerschreiben zwar als „Robin Hood der Kultur“ bezeichnen, ansonsten aber keine erhellenden Erklärungen hinterlassen. Die Ermittlungsbehörden sehen sich somit gezwungen, aus der Namensgebung und der Beute Rückschlüsse auf die Täter zu ziehen. Keine leichte Aufgabe, denn auch hier will nichts so recht zusammenpassen. Während Robin Hood, der Strumpfhosenheld des 14. Jahrhunderts, von seinem Lager im Sherwood Forrest auszog, um reiche Herren auszurauben und deren Überfluß an die Armen zu verteilen, ist Vergleichbares aus Italien nicht bekanntgeworden. Allerdings dürfte es auch schwierig werden, hinreichend Arme zu finden, die Bedarf an den geklauten Wörterbuchklassikern der lateinischen und altgriechischen Sprache haben. Einziger Nutznießer der Aktion scheinen daher die Schulkinder, denn in den Lastwagen verschwand ein Viertel der italienischen Buchproduktion für dieses Schuljahr. Die Ermittlungen konzentrieren sich deshalb auf lernunwillige Mafia-Sprößlinge. Otto Diederichs
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