■ Erzieht die Lehre gute Dienstleister?: Grinsen lernen genügt nicht
Die Kritik an der zwiegestaltigen Ausbildung in Lehrbetrieb und Berufsschule, dem klassischen deutschen Modell, reißt nicht ab. Nun hat das Gelsenkirchener Institut für Arbeit und Technik auch das bevorstehende Aufpäppeln der Lehre durch sogenannte Schlüsselqualifikationen kritisiert. „Grinsekurse“ reichten nicht, um das duale System für die Dienstleistungsgesellschaft fit zu machen, schreiben die Forscher. Freundlichkeit, korrektes Auftreten, Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit seien wichtig für Dienstleistungen, aber eben nicht alles.
Zwei Einwände sehen die Gelsenkirchener gegen diese spezielle Form von Schlüsselqualifikationen: Erstens bestünden nach wie vor Unsicherheiten darüber, wie sie zu vermitteln seien. Zweitens nutzten die neuen (alten) Zauberqualifikationen nichts, wenn das fachliche Wissen fehle. „Kundenorientierung meint nicht nur Lächeln und Dienern“, fassen die Autoren zusammen, sondern bedeute, „mit der Kundschaft gemeinsam eine gute Lösung für ein Problem zu finden“.
Die Forscher verbinden ihre Kritik mit sehr konkreten Befürchtungen: Der Grinsekurs „taugt nur für den Weg in eine Dienstbotengesellschaft à la USA“. Gemeint sind Billigjobs im „McDonalds-Bereich“, von denen man zwei haben muß, um über die Runden zukommen. Hierzulande sei diese Ausrichtung nicht wünschenswert – weil sie die „soziale Ungleichheit“ verstärke. Auf deutsch: Die einen müssen formvollendet den Tee servieren (nachmittags) und diskret Wohnung oder Betrieb reinigen (ganz früh oder sehr spät). Die anderen haben Geld, aber keine Zeit.
Statt dieses einfachen Services, wie die Autoren schreiben, sollte die nachhaltige Perspektive anspruchsvoller Dienstleistungen angepeilt werden. Ansätze dafür seien erkennbar, etwa im Bereich „Freizeitsport/Wellness“, wo sich zunehmend Beschäftigung für arbeitslose Sportlehrer auftue. Insgesamt wird gerügt, daß von 111 neuen Ausbildungsordnungen (seit 1996) nur 41 zum Dienstleistungssektor gehören. cif
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