Gleisbruch bei Bahnhersteller Adtranz

Während die Konzernspitze 20 Prozent der deutschen Belegschaft vor die Tür setzen will, veröffentlicht der Betriebsrat ein Gegenkonzept, das „chaotische Organisationsstrukturen“ in der Chefetage ausmacht  ■ Aus Berlin Hannes Koch

Überfordert sitzen die Manager des Bahnherstellers Adtranz in ihren teuren Sesseln und verschieben hilflos ganze Produktionsanlagen mit Hunderten von Arbeitern von einer Stadt zur nächsten. So sehe die Lage des Konzerns aus, meint der Gesamtbetriebsrat und kritisierte gestern mit teils harschen Worten das „Zukunftskonzept“ der Geschäftsführung. „Chaotische Organisationsstrukturen, mangelhafte Beherrschung der Technik, verschleppte Probleme“ – in ihrem Gegenpapier lassen die Belegschaftsvertreter kein gutes Haar an den Chefs.

Bei Adtranz (Werbemotto: „we speak railways“) geht es rund. Allerdings nicht beim Gewinn. Der neben Siemens, Bombardier und Alsthom weltweit größte Hersteller von Bahnen mußte 1997 einen Verlust von 380 Millionen Mark in den zehn bundesdeutschen Werken verzeichnen. Vor zwei Wochen reagierte Deutschland-Chef Rolf Eckrodt deshalb mit seinem Zukunftskonzept. Es sieht die Reduzierung des deutschen Personals um weitere 1.400 auf 6.000 Beschäftigte vor. Neben Nürnberg und Donauwörth (minus 350 Leute) schlagen die Wellen in Berlin besonders hoch, denn an der Spree will der Konzern ein komplettes Werk mit 350 MitarbeiterInnen dichtmachen. Erst 1997 war es unter großem öffentlichen Brimborium als „Musterfabrik“ für zukunftsweisende Produktion eröffnet worden. An der Investition beteiligte sich der Senat mit fast einem Drittel.

Bei der Forschung nach den Ursachen der Krise kommen Geschäftsleitung und Betriebsrat nur teilweise auf einen gemeinsamen Nenner. Unstrittig ist etwa, daß man dem Preisverfall bei Zügen mit der Entwicklung identischer Plattformen zum Beispiel für die U-Bahnen verschiedener Städte begegnen will. Darüber hinaus setzt die Konzernleitung auf massiven Personalabbau und Konzentration der Produktion in jeweils einer Fabrik, was der Betriebsrat kategorisch ablehnt.

Dieser wirft Eckrodt und seinen Managern vor, die Belegschaft des erst 1996 von Daimler-Benz und ABB gegründeten Konzerns immer wieder durcheinanderzurütteln, von A nach B zu verschieben und damit die wirklichen Probleme zu ignorieren. Die lägen nämlich in der mangelnden Konsequenz, mit der der bereits angeschobene Verbesserungs-, Qualitätssicherungs- und Gruppenarbeitsprozeß fortgeführt werde. Und das neue Werk in Berlin-Pankow, so der Betriebsrat, dürfe keinesfalls geschlossen werden. Es habe als „schlanke Modellfabrik“ für den Bau von Prototypen und die Optimierung von Arbeitsprozessen eine wichtige Funktion.