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Die Tricks von Frank Freer

■ Berliner Zimmer, Teil 14. Eine Besuchsreihe von Falko Hennig

Mein Name ist Frank Freer, ich werde jetzt 54, ich zaubere seit 1956. Angefangen hat es mit einem Zauberkasten – wie bei fast allen Zauberern: Zauberbuch oder Zauberkasten. Dann ging es klein weiter: Schule, damals hieß es noch Mittelschule bei uns; dann kam die Sturm-und-Drang-Zeit, da kam ich nicht soviel zum Zaubern; ich habe erst mal in Leipzig studiert vier Jahre, Fachschule für Gastronomie. Ich hab' Koch gelernt. Dabei hab' ich schon 'n bißchen die Kommilitonen unterhalten. Ab Mitte 20 dann wurde es immer mehr, auf einmal wurde ein Hobby zu einer sehr interessanten Nebenbeschäftigung. Dann wurde es ziemlich intensiv. In der DDR gab's Einstufungen für Amateur- und für Profizauberer. Jetzt kann ja jeder losgehen und zaubern, wenn er meint, er bringt das, wie in jedem anderen artistischem Genre.

Nicht nur für Zauberkünstler, für alle Artisten war die Situation günstiger als jetzt. Die hatten im Monat 18 Veranstaltungen der Konzert- und Gastspieldirektion, und die wurden, das kann man ja ruhig mal so sagen, versteuert. Dann haben sie noch 20 gemacht, die wurden vielleicht nicht versteuert... Aber keiner brauchte sich Gedanken zu machen, ob er übermorgen noch 'ne Veranstaltung bekommt oder nicht. Es gibt natürlich, ich kann jetzt nur von Zauberern reden, heutzutage Zauberer, wo man wirklich sagen kann: Das mußt du dich erst mal trauen, damit vor die Leute zu gehen.

Das ist hier so mein Reich, mein Zauberzimmer. Eingezogen sind wir 72. Da war ja erst die Tochter noch hier, das war problematisch mit den Utensilien. Hier sind alles Zaubertricks. Es gibt so alte Sachen, die gibt es nicht mehr im Geschäft, aus Sammlergründen. Der Schrank ist voll mit Zaubersachen, die Vitrine ist voll. In den Koffern ist überall was verteilt, auf dem Bord sind Videos mit Zauberern.

Da drüben an der Wand ist mein Lieblingsbild von Hieronymus Bosch: „Der Taschenspieler“. Gerade im Mittelalter war es wohl gang und gäbe, daß der Taschenspieler im Gefolge auch noch Taschendiebe hatte. Das ist auf dem Bild gut zu sehen. Vorne der Taschenspieler (der so heißt, weil er aus der Tasche seine Utensilien nahm) unterhält die Leute, und ein Eingeweihter schneidet jemand anderm den Geldbeutel ab. So jedenfalls sagt die Überlieferung.

Das Plakat ist von Kassner, das kommt wieder in den Laden, wenn wir Platz haben. Kassner war der erste deutsche Zauberkünstler, der sich mit dem Verschwindenlassen von Tieren beschäftigt hat. Verschwinden eines Elefanten in der Manege. Ein Zirkuszauberer, der mit dem Problem der Rundumsicht leben mußte. Der deshalb natürlich viele Tricks hatte, die sauber vorzuführen waren, weil sie von rundum einsehbar waren. Der Spiegel rechts daneben geht bis zum Boden, der ist zum Üben.

Das ist eine Armguillotine. Das würde dann so ablaufen, daß man 'ne Zuschauerin hat. Erst mal das ganze Ding erklärt, hier unten kann man 'ne Möhre oder 'ne Gurke reinlegen. Das gleiche noch mal hier oben. Jetzt käme dann oben die Zuschauerhand, unten Möhre oder Gurke hinein. Und bei eins, zwo, drei, zack! Ist unten die Möhre oder Gurke kaputt – und die meisten haben sich natürlich auch erschreckt.

Der Totenkopf auf der Vitrine, es gab mal so 'n Trend hier in Berlin, so 'n bißchen bizarre Magie. Und es wollte jemand einen Totenkopf schweben lassen. Aber der wollte nachher schon ganz eigenartige Sachen machen. Das ging dann ins Okkulte, was dann mit der Zauberei nichts mehr zu tun hat. Und so haben wir das wieder sein lassen.

Wenn ich mir das erste Mal 'ne Darbietung ansehe, die ich noch nie gesehen habe, da versuche ich mich nur unterhalten zu lassen, ohne jedesmal daran zu denken: Wie hat er das gemacht, wie hat er die Taube auf die Hand gebracht, wie hat er das so schnell von Grün zu Rot gefärbt? Wenn dabei was besonders gefallen hat, dann macht man sich anschließend seine Gedanken. Und da ich das in der Regel aufnehme, kann ich mir das acht Tage später noch mal in Ruhe ankucken, so oft, daß ich dann ganz genau weiß: In dem Moment faßt er dorthin. Auch so Tricks macht man schon: Wenn man bezahlen muß, daß man einen Block hat mit 10-Mark-Scheinen zum Abreißen oder eine Geldmaschine, wo man schnell aus einem Blatt weißem Papier eine Banknote gemacht hat. Oder daß man eine Zigarette nimmt und 'ne Papierserviette und läßt die Zigarette in der Papierserviette verschwinden und legt die dann wieder auf den Tisch.

Fürs Geschäft war die Wende kein Einbruch, weil, wir hatten früher 80 Prozent weniger Artikel als heute. Wie es heute von allem zuviel gibt, gab's damals zuwenig. Wichtig für so 'n Geschäft ist auch: Scherzartikel allein geht nicht. Man muß 'ne gesunde Mischung finden. Und wenn man Zauberartikel verkauft, dann möchte man sie auch vorführen können. Wir beziehen sehr viele Tricks aus den USA. Einen Teil machen wir selbst respektive lassen wir machen. Zumindest 70, 80 Prozent der gängigen Zauberutensilien haben wir schon da. Die Wende? Kann man nicht sagen, daß die von Nachteil war.

Mit Karten bin ich immer etwas vorsichtig, weil die Leute immer sagen: Schon wieder 'ne Karte! Und dann viertes Päckchen von rechts und die Quersumme bilden. Deshalb habe ich nur eins, zwei, fünf Karten: Können Sie bitte an eine dieser Karten denken? Jetzt können Sie noch mal tauschen. Ich werde jetzt versuchen, die Karte mental zu erfassen, an die Sie gedacht haben. Die werd' ich mal in die Tasche stecken. Sie hatten die Karte nicht noch mal getauscht. Sie tippen jetzt genauso spontan, wie Sie sich für eine Karte entschieden haben, jetzt hier auf Ihre Karte. Ist weg? König Karo?

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