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An die Lieben daheim

Unser Bürgermeister schreibt Postkarten. Aufgefangen  ■ Von Silke Mertins

High Noon in Dänemark. Unser Erster Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) kommt im Surfanzug über die Dünen geschlappt. Im Ferienhaus haben sich Frau Gisela und die Söhne um den Küchentisch versammelt. Denn um zwölf Uhr mittags wird bei den Rundes regiert. Auch im Urlaub darf ein Bürgermeister die Dinge nicht schleifen lassen. Das Faxgerät steht bereit. „Gisela, jetzt wollen wir mal regieren“, ruft der Bürgermeister. Die Kinder staunen. „Schnäuz dich erstmal“, sagt Gisela, „so geht das nicht“. Ortwin schnäuzt.

Das Fax schaltet sich ein. „Es liegt nichts vor“, wird aus dem Rathaus vermeldet. „Was sollen wir jetzt regieren?“ klagen die Söhne. Ortwin greift zum Telefonhörer. „Krista, bist du's?“ Die Zweite Bürgermeisterin Krista Sager (GAL), die zehn Dünen weiter urlaubt, bejaht. „Krista, wir müssen uns treffen. Wir müssen regieren.“ Wäre ja noch schöner, wenn man alles Ersatzmann Eugen Wagner (SPD), dem ewigen Bausenator, in seinem Finkenwerder überließe.

Man trifft sich windgeschützt hinter einem Sandhügelchen. Ortwin schwärmt für die Genügsamkeit der Einheimischen. „Der Däne ißt ein Würstchen und ist zufrieden.“ Zu Hause hingegen kräht das Volk nach mehr Demokratie und mehr Zucht und Ordnung und mehr Lehrer usw. Krista, selbst zur Hälfte dänischer Herkunft, versucht sich mit einem Scherz. „Ich esse keine Würstchen.“ Dann imitiert sie den Ruf des Wachtelkönigs, malt die Umrisse des Schierlingswasserfenchels in den Sand und verkündet, sie wolle in ein Vogelschutzgebiet umziehen und dann sich, also das Volk, befragen, ob das Biotop erhalten bleiben soll. Als das Gespräch gerade auf das Hafenkrankenhaus kommt, ruft Ortwin: „In Deckung!“ Sozial- und Gesundheitssenatorin Karin Roth (SPD) laufe unten vorbei. Zu spät.

Zurück bei Gisela will der Bürgermeister mit Eugen Wagner ins Gespräch kommen. Er schreibt eine Postkarte: „Moin Eugen. Hast du schön regiert? Ich habe Krista in den Dünen getroffen. War schön. Sie droht allerdings, ins Mühlenberger Loch zu ziehen und dann eine Volksabstimmung durchzuführen. Wußtest Du, daß Karin auch hier Urlaub macht? Sie stand auf einmal vor uns. War nicht schön. Gruß, Ortwin.“

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